Wie schafft man es nur, eine Banklehre als Bundesbeste zu absolvieren? „Wenn man einfach Spaß dran hat, fühlt sich’s weniger nach Arbeit an“, sagt Victoria Goll über ihr Lernverhalten. Dabei hatte sie ursprünglich gar nicht vor, Bankkauffrau zu werden.

Stuttgart - Wie schafft man es nur, eine Banklehre als Bundesbeste zu absolvieren? „Wenn man einfach Spaß dran hat, fühlt sich’s weniger nach Arbeit an“, sagt Victoria Goll. Die Bankkauffrau, die bei der Baden-Württembergischen Landesbank (LBBW) in Stuttgart gelernt hat, ist eine von sechs jungen Menschen aus der Region Stuttgart, die in ihrem Berufsabschluss die Bundesbesten sind. Dabei hatte die junge Frau ursprünglich gar nicht vor, Bankkauffrau zu werden. Als ihre Eltern ihr diesen Vorschlag gemacht hatten, ein Jahr vor ihrem Abi, „da hab ich erstmal gesagt: nein, auf keinen Fall“. Aber dann habe sie ernsthaft drüber nachgedacht, erzählt die 19-Jährige bei einem Becher heißen Kakaos. „Als ich dann mit der Ausbildung angefangen hab, hat’s mir richtig gut gefallen“, stellte sie fest: der Umgang mit unterschiedlichsten Kunden, Vorstandsmitgliedern, die Arbeit im Team. Und: „Man lernt sehr schnell, wie so eine Bürokratie geprägt ist.“ So habe sie Verständnis für die Abläufe entwickeln können. Und gelernt, „dass es am besten ist, einfach mit Menschen zu sprechen“.

 

Sie ist nicht die einzige Schülerin mit Abitur oder Fachhochschulreife, die erstmal eine Ausbildung macht. Deren Zahl wächst laut IHK Region Stuttgart stetig: Im Jahr 2009 waren es noch 19,1 Prozent, aktuell macht ihr Anteil 36,7 Prozent unter den 10 700 neuen Azubis in IHK-Berufen aus. „Wir plädieren dafür, mit einer Berufsausbildung im Betrieb ins Berufsleben zu starten“, sagt Anke Seifert, Sprecherin der IHK Region Stuttgart. Aber sie berichtet auch: „Die Unternehmen stellen fest, dass die Berufsorientierung vieler Bewerber nicht ausreicht, um die richtige Entscheidung für den weiteren beruflichen Lebensweg zu treffen.“

Kleiner Oskar vom Berufsschullehrer: „Du bisch a Käpsele“

Das trifft auf Victoria Goll offensichtlich nicht zu. Für ihren Superabschluss mit 98 von 100 Punkten hat sie bereits einige Lorbeeren kassiert: vom Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag bei einer Feier im Bodenseeforum in Konstanz mit den anderen 112 Landesbesten, insgesamt 28 aus der Region Stuttgart. Was sie besonders schön fand: „ Da ist mein Berufsschullehrer mitgekommen, weil der sich so gefreut hat.“ Er habe ihr einen kleinen, selbst gebastelten Oskar mitgebracht mit dem Spruch drauf: „Du bisch a Käpsele“. Der habe jetzt einen Ehrenplatz in ihrem Regal. Und vor wenigen Tagen in Berlin nahm die 19-Jährige bei der „Nationalen Bestenehrung in IHK-Berufen“ teil, zu der der Deutsche Industrie- und Handelskammertag als Festredner Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und als Moderatorin Barbara Schöneberger holte. „Es waren an die 1000 Leute da.“ Doch längst hat sie der Alltag wieder. Gerade kommt Victoria Goll von einer Strafrechtsvorlesung aus Heidelberg, wo sie seit diesem Semester Jura studiert. Das habe sie eigentlich schon während der Schulzeit vorgehabt. „Meine Mutter ist für mich ein großes Vorbild: dass sie mit fünf Kindern als Richterin arbeitet.“ Aber direkt nach dem Abi, gerade 17 geworden, habe sie das als zu früh empfunden, berichtet die Tochter. Sie habe sich gedacht: „Mit ner Banklehre mach ich nichts falsch – und wenn Jura aus dem Kopf verschwindet, wäre ich auch mit der Banksache glücklich.“ Aber Jura verschwand nicht. „Wir hatten in der Berufsschule einige Rechtsthemen: Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Bankenrecht – ich hab gemerkt, das interessiert mich.“ Und mit einem Abischnitt von 1,2 konnte die 19-Jährige ohne Verzögerung in Heidelberg mit dem Studium beginnen. Längere Zeit zum Ausruhen hatte sie nicht: „Ein Jahr Chillen war nicht drin“, sagt sie.

Immer Spaß daran gehabt, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen

Helfen ihr die Erfahrungen aus der Lehre beim Jurastudium? Davon ist Goll überzeugt. „Es hilft, dass man schon mal einen Achtstunden-Arbeitstag hatte“, meint sie – „zu wissen, du kriegst am Ende des Monats eine Leistung, also musst du eine Gegenleistung erbringen“. Diese Haltung funktioniere, auch wenn es bei ihrem Studium keine Anwesenheitspflicht gebe. Aber Disziplin und Durchhaltevermögen habe sie schon vorher gehabt. „Ich hatte immer Spaß daran, mich mit den Dingen auseinanderzusetzen.“

Was würde sie ratlosen Abiturienten empfehlen? „Nicht gleich das Naheliegende machen, sondern was, was den Horizont erweitert – bei mir war’s eben die Banklehre.“ Nützlich sei die auch in anderer Hinsicht, meint die 19-Jährige: „Ich werde in den Semesterferien in der Bank jobben.“ Im Januar erwartet sie noch ein Highlight: Da wird sie mit einem Bronzestern auf dem „IHK Walk of Fame“ vor deren Gebäude an der Jägerstraße geehrt. Wie die fünf anderen Bundessieger.