In der neuen Ausstellung im Stadtmuseum werden Straßen- und Flurnamen erklärt. Eine junge Mitarbeiterin hat sich über Monate in das Thema vertieft und Erstaunliches zu Tage gefördert. Die Eröffnung ist an diesem Sonntag.

Gerlingen - Von Adolph-Kolping-Weg bis Zedernweg, vom Aspergle bis zur Wolfsschlucht und vom Bruhweg über den Rathausplatz bis zum Malvenweg – in Gerlingen gibt es ein großes Spektrum von Straßennamen in allen Stadtteilen. Diese Unterscheidung in den Wohngegenden gibt es seit dem Jahr 1900, vorher waren die Gebäude durchnummeriert. Aber auch Gewanne in Feld und Wald haben ihre Namen. All dies ist in der neuen Ausstellung im Gerlinger Stadtmuseum zu erfahren. „Mehr als Schall und Rauch“ heißt die Schau, die am Sonntag eröffnet wird.

 

Deren Macherin ist Selina Kragl. Die 18-Jährige arbeitet seit Sommer 2015 im Museum und im Stadtarchiv mit. Im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres Kultur hat sie sich für dieses Thema der lokalen Sozialgeschichte interessiert – und sie ist mit ihrer Idee, dazu eine Ausstellung zu gestalten, bei der Museumsleiterin Catharina Raible und dem Archivleiter Klaus Herrmann auf einige Begeisterung gestoßen. So wird ein Stück Ortshistorie lebendig. Und auch ein Thema, das in diesem Zusammenhang eher unrühmlich ist, wurde nicht ausgespart: das Kapitel der Straßenbenennung im Dritten Reich.

Keine Adolf-Hitler-Straße in Gerlingen

So erfährt der Besucher zwar, dass in Gerlingen keine Straße nach Adolf Hitler oder dem Gauleiter Wilhelm Murr umbenannt wurde. Gleichwohl gab es eine Hermann-Göring-Straße und eine Horst-Wessel-Straße – die aber wurden nach dem Krieg wieder umbenannt, in Ludwigstraße und Wielandstraße. Vier Straßen hinter dem Rathaus aber behielten ihre Namen: die nach den Kämpfern des Ersten Weltkriegs Richthofen, Immelmann, Boelcke und Weddigen benannten. 1962 und 1988 scheiterten Initiativen zur Umbenennung im Gemeinderat; auch der Vorschlag von Gymnasiasten, Erklärungsschilder anzubringen, wurde 2010 abgelehnt.

Dies ist eines der ergänzenden Kapitel der Schau – die, wie Selina Kragl erklärt, zum großen Teil aus „Flachware“ besteht. Dreidimensionale Anschauungsobjekte sind selten. Bis auf ein Modell von Schloss Solitude. Das ist Teil eines 1993 kreierten Kunstwerks, die Kuppel war ein Apfel. Der aber fehlt aus verständlichen Gründen. Selina Kragl hat nach Gesprächen mit ihren Mentoren nicht nur Schilder geputzt und geordnet, sie hat auch weitere ergänzende Kapitel geschaffen („ich habe genommen, was auch mich interessiert hat“). Eines handelt vom Wald, denn auch er hat Namen. In den „Bannwald“ ist aber niemand verbannt worden – der Wald gehörte der herzoglichen Herrschaft. Und vom „eingemachten Wald“ wurde nicht ein Stück ins Weckglas getan. Er war eingezäunt.

Exkurs in den Weinbau

Exkurse hat die junge Kuratorin auch in andere Richtungen gemacht: beispielsweise in den Weinbau. Da erfährt man, dass die erste Kelter in Gerlingen 1399 aufgestellt wurde und es 1731 bereits 420 Morgen Rebland gab. Heute sind es noch 20 – etwa sieben Hektar. Auch zur Siedlung gibt es ein Kapitel: Wo heute gut 4000 Gerlinger wohnen, lebten schon Steinzeitmenschen. In den späten zwanziger Jahren entstanden dort die ersten Häuser, nach dem Krieg wurde die Siedlung für die Vertriebenen gebaut. Schon während des Kriegs, das dürfte weniger bekannt sein, hatte die Lederfirma Roser aus Feuerbach dort Wohnhäuser für ihre Arbeiter bauen wollen – dieses Projekt wurde dann nach 1945 verwirklicht.

Das ist ebenso ein Aspekt der Ausstellung wie der, wo auswärts Straßen nach Gerlingen benannt wurden: nicht nur in Ditzingen oder Weilimdorf – sondern auch in Berlin-Buckow. Klaus Herrmann wird zur Eröffnung am Sonntag noch manche Anekdote beisteuern – wie die, dass er einst in der „Göthestraße“ wohnte und Bürgermeister Wilhelm Eberhard das für heutige Verhältnisse falsch geschriebene Schild nach Herrmanns Tipp austauschen ließ.

Mehr als Schall und Rauch

Vernissage
Die Ausstellung wird am Sonntag, 12. Juni, um 11.15 Uhr eröffnet. Klaus Herrmann, der Leiter des Stadtarchivs, hält einen Vortrag, und Selina Kragl führt selbst in das Thema ein. Am Nachmittag gibt es im Museumscafé Kaffee und Kuchen der Landfrauen, um 15 Uhr ist eine Führung.

Begleitveranstaltung
Im Rahmen der Reihe „Museum im Koffer“ wird die Ausstellung am 21. Juni um 15.30 Uhr im Breitwiesenhaus vorgestellt.

Wanderung
Den Aspekt Weinbau und Flurnamen können Interessenten bei einer Wanderung mit Weinprobe und Vesper vertiefen. Kosten 28 Euro. Termin: 17. Juni, 18 bis 21 Uhr, Anmeldung unter Telefon 0 71 56/205-366.

Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist geöffnet bis 16. Oktober; dienstags von 15 – 18.30 Uhr und sonntags von 10 – 12 und 14 – 17 Uhr