Wer ein Haus oder ein Wohnung kaufen will, für den wird’s immer teurer. Der Gutachterausschuss für den Immobilienmarkt sieht aber nur bei Mehrfamilienobjekten eine „Überhitzung“.

Stuttgart - Wer in Stuttgart eine Eigentumswohnung oder ein Wohnhaus kaufen möchte, der muss immer tiefer in die Tasche greifen. Die Immobilienpreise steigen weiterhin auf breiter Front, ganz besonders bei Mehrfamilienhäusern. Sie werden seit Beginn der Wirtschaftskrise 2009 verstärkt von Kapitalanlegern als stabile Wertanlage nachgefragt, was die Preise seitdem im Durchschnitt um 29 Prozent nach oben schnellen ließ. Oft wird das 16- oder 17-Fache der Jahresmiete bezahlt oder mehr. „Da würde ich schon von einer leichten Überhitzung sprechen, eine Marktblase sehe ich aber auch hier nicht“, kommentierte der Vorsitzende des städtischen Gutachterausschusses, Karlheinz Jäger, die für Stuttgart ungewöhnliche Entwicklung bei der Vorstellung des Immobilienmarktberichts am Dienstag.

 

Bei Eigentumswohnungen stiegen die Preise moderater um durchschnittlich 3,5 bis vier Prozent, je nach Lage und Baujahr. Damit sind die Preise aber erneut stärker gestiegen als die Verbraucherpreise, im Langzeitvergleich allerdings hinken die Wohnungspreise dem Verbraucherindex deutlich hinterher (siehe Grafik).

2050 Euro pro Quadratmeter sind Durchschnitt

Der Durchschnittspreis für neue Eigentumswohnungen stieg bedingt durch bessere Ausstattung und höhere Bauqualität von 3370 auf 3475 Euro pro Quadratmeter, die Bandbreite zwischen günstigen Neckarvororten und teurer Halbhöhe jedoch ist groß. Im günstigsten Fall war der Quadratmeter Neubau für knapp 2000 zu haben, im teuersten Fall für stolze 10.900 Euro. Dabei habe es sich jedoch um einen Ausreißerrekordwert für eine Wohnung im Bereich der Schottstraße im Stuttgarter Norden gehandelt. Im geplanten Wohnturm an der Heilbronner/Wolframstraße will der Investor einen Spitzenquadratmeterpreis von 14.000 Euro für die Penthäuser verlangen. Bei Bestandswohnungen variierten die Quadratmeterpreise zwischen 600 und 6200 Euro, wobei der Durchschnittspreis bei 2050 Euro lag. Für ein Einfamilienhaus mussten 2012 durchschnittlich 500.000 Euro bezahlt werden, für ein Reihenhaus 330.000.

Die Gutachter gehen davon aus, dass die Preise für Wohneigentum in Stuttgart auch in naher Zukunft nur eine Richtung kennen werden: nach oben. „Es könnte aber sein, dass die Steigerung moderater wird“, prognostiziert Jäger. Mit starken Preisausschlägen sei jedoch weder nach oben noch nach unten zu rechnen. „Der Markt ist weiterhin sehr stabil“, so Jäger. Dass die Nachfrage aktuell größer ist als das Angebot und die Preise dennoch nicht durch die Decke schießen wie in München oder Hamburg, sieht der Gutachterausschuss nicht zuletzt in der hiesigen Mentalität begründet. Jäger: „Der Schwabe ist vorsichtig im Geldausgeben und rechnet spitz.“ Und dass reiche Griechen oder Italiener ihre Euro in deutsches Betongold stecken und so den Markt anheizen, ist anders als in Berlin bisher nicht aufgefallen.

Der größte Teil der Kaufverträge fällt auf Eigentumswohnungen

Dem Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses kommt jedes Jahr eine besondere Bedeutung zu, denn das Gremium ist die einzige Institution, die alle im Stadtgebiet abgeschlossenen Grundstücks- und Immobilienkaufverträge erfasst und analysiert. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 6360 Kaufverträge und damit fast sieben Prozent weniger als im Boomjahr 2011, als 6800 Objekte den Besitzer wechselten. Jetzt sei man wieder auf dem Niveau von 2010, so Jäger, allerdings bei steigendem Gesamtumsatz. Dieser erreichte im vergangenen Jahr 2,58 Milliarden Euro, was vor allem dem Verkauf gewerblicher Großprojekte geschuldet ist.

Der größte Teil der Kaufverträge entfällt wie immer auf Eigentumswohnungen, hier ist das Angebot mit Abstand am größten. 4130 Wohnungen wechselten 2012 den Eigentümer, 700 davon waren Neubauwohnungen. Im Jahr 2011 wurden 4240 Eigentumswohnungen veräußert, der Anteil der Neubauwohnungen war mit 600 aber deutlich niedriger. Deutlich weniger Einfamilien und Doppelhäuser wurden 2012 verkauft, nur 340 statt zuvor 416. Bei Reihenhäusern blieb die Zahl mit 187 Verkäufen fast konstant, bei Mehrfamilienhäusern brach die Zahl mangels Angebot dagegen von 238 auf nur noch 129 ein.

Häuslesbauer müssen ins Umland ausweichen

Auch bei Bauplätzen für Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäuser gab es einen Erdrutsch. Statt 180 wie 2011 wurden 2012 nur noch 80 verkauft. Plätze in den wenigen Neubaugebieten wie auf dem Killesberg oder in der Ramsbachstraße in Degerloch seien meist schon 2011 verkauft worden, erklärt Jäger den Einbruch. Für ihn steht außer Frage, dass Häuslesbauer mangels Bauland weiter ins Umland ausweichen werden. Der Durchschnittspreis für Bauland lag 2012 bei 810 Euro für den Quadratmeter. Als Spitzenpreis in Toplage wurden 2500 Euro dokumentiert.

Auffällig ist aus Sicht des Gutachterausschusses, dass innerhalb von Wohnquartieren Kleinlagen zunehmend an Bedeutung gewännen. So seien am Killesberg in Parknähe höhere Preise bezahlt worden, während es zur Straßenseite Abschläge gegeben habe. Karlheinz Jäger: „Leute, die viel Geld ausgeben, sind sehr wählerisch.“

In schriftlicher Form wird der detaillierte Grundstücksmarktbericht für das Jahr 2012 nebst neuer Bodenrichtwertkarte wie gewohnt erst zur Jahresmitte vorliegen. Man habe über die Markttendenzen dieses Jahr schon früher informieren wollen und werde das auch in Zukunft tun, kündigte Karlheinz Jäger an.