In den Kliniken und Pflegeheimen in Leonberg und Umgebung ist die Quote der immunisierten Mitarbeiter schon jetzt sehr hoch. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht treibt dennoch viele um.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Altkreis Leonberg - Soll die einrichtungsbezogene Impfpflicht ausgesetzt werden oder nicht? Diese Frage hat in der Bundespolitik in den vergangenen Wochen für Wirbel gesorgt. Die Sorge, dass im Gesundheitswesen etliche Fachkräfte abwandern könnten, hat die Debatte um das im Dezember beschlossene Gesetz neu entfacht. Doch wie viele Beschäftigte im Gesundheitswesen sind in der hiesigen Region noch nicht geimpft? Und ist eine große Versorgungslücke in Leonberg und Umgebung zu befürchten?

 

90 Prozent Impfquote im Klinikverbund

Bis zum 15. März haben die Mitarbeiter in den betroffenen Einrichtungen Zeit, ihrem Arbeitgeber einen Impfnachweis vorzulegen. Wer dies unterlässt, wird dann dem Gesundheitsamt gemeldet. Das gilt unter anderem für die Beschäftigten der Krankenhäuser. Der Klinikverbund Südwest, zu dem das Leonberger Krankenhaus gehört, hat bisher schon eine Impfquote von rund 90 Prozent erfasst.

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„Tendenz steigend“, sagt Pressesprecher Ingo Matheus. In patientennahen Bereichen sei der Anteil der geimpften Personen teilweise sogar weit darüber. Momentan ist der Klinikverbund noch dabei, den Status seiner 5000 aktiven und einiger inaktiver Mitarbeiter komplett abzufragen. „In etwa zwei Wochen haben wir ein klareres Bild“, meint Matheus.

Klinikverbund hofft auf Protein-Impfstoff von Novavax

Einen weiteren Schub erhofft sich der Klinikverbund von dem neu zugelassenen Impfstoff von Novavax. Eine interne Impfaktion mit diesem Vakzin soll die Lücke weiter schließen. Anfang März will die Personalabteilung zudem in einen „direkten Dialog mit einzelnen Beschäftigten gehen“, kündigt der Verbundsprecher an. Ob es ab März zu einer Kündigungswelle kommen wird, lasse sich nicht seriös prognostizieren. „Vereinzelt gibt es aber natürlich auch im Klinikverbund die Androhung, dann zu kündigen“, sagt Matheus.

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Falls dies das Personalproblem in der Pflege verschärft, müsse man sich Gedanken machen, wie es zu kompensieren ist. Schon jetzt werde niemand ohne Impfnachweis mehr eingestellt. Den Klinikverbund treiben derzeit noch viele offene Fragen zur Impfpflicht um. Nicht geklärt sei zum Beispiel, welche Auflagen ungeimpfte Mitarbeiter fürchten müssen und für wen das Gesetz gilt.

Ausfälle wären für Kliniken schmerzhaft

Ähnlich sieht es bei den RKH-Kliniken aus, zu denen unter anderem das Ludwigsburger Krankenhaus zählt. Von den etwa 7000 aktiven Beschäftigten haben inzwischen 91 Prozent einen Nachweis erbracht, teilt Unternehmenssprecher Alexander Tsongas mit. Dort geht man davon aus, dass sich die Quote bis Mitte März weiter erhöhen wird.

„Eine Ausfallquote von neun Prozent oder weniger wäre trotzdem schmerzhaft“, sagt Tsongas. Denn schon jetzt, in der Omikronwelle, verzeichnen die RKH-Kliniken große Personalausfälle „und phasenweise Versorgungsengpässe“. Deshalb sind Zeitarbeits- und Hilfskräfte im Einsatz. Bisher habe aber noch niemand mit Verweis auf die Impfpflicht gekündigt.

DRK rechnet nicht mit großen Personallücken

Auch beim Kreisverband Böblingen des Deutschen Roten Kreuzes ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht ein Thema, denn Mitarbeiter in Pflegeheimen und Beschäftigte im Rettungsdienst fallen ebenfalls unter das Gesetz. Insgesamt betreibt der Verband elf Seniorenheime, davon jeweils zwei in Rutesheim und Renningen, und ist damit nach eigenen Angaben der größte Träger im Kreis Böblingen. Von den rund 840 Mitarbeitern in den Heimen ist der allergrößte Teil geimpft. An einem Standort in Rutesheim wird die Quote zu 100 Prozent erfüllt, in den übrigen Heimen liegt sie zwischen 96 und 98 Prozent, sagt Wolfgang Heubach, Pressesprecher des Kreisverbands.

Im Bereich des Rettungsdienstes ist sie ebenfalls bei deutlich mehr als 90 Prozent. Auch beim DRK setzt man darauf, dass der Novavax-Impfstoff, der bestellt wurde, die Quote anheben kann. Einige Skeptiker in den eigenen Reihen konnten in Gesprächen überzeugt werden. Mit großen Personallücken aufgrund von Kündigungen oder Freistellungen im Zusammenhang mit der Impfpflicht rechnet das DRK für die kommenden Monate nicht. „Die jetzige Entwicklung spricht nicht dafür“, sagt Heubach.

In Seniorenheimen bleibt man noch recht gelassen

Im Samariterstift in Leonberg haben „deutlich über 90 Prozent“ der Mitarbeiter einen Impfschutz. „Wir sind daher recht entspannt und warten ab“, sagt Waltraud Jansen, die Leiterin des Hauses. Auch dort blieben Kündigungen wegen der Impfpflicht bisher aus. „Es ist zu früh, um die Pferde scheu zu machen.“ Mit den Beschäftigten, die noch keinen Nachweis erbracht haben, bleibe man im Gespräch.

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Bereits eine Kündigung mit Bezug zur Impfpflicht hat man im Haus Guldenhof in Ditzingen entgegengenommen. Mit Blick auf die hohe Impfquote von 98 Prozent ist Heimleiterin Sigrid Hessler allerdings bisher recht gelassen. Nur eine Handvoll der 140 Mitarbeiter hat noch keinen Nachweis erbracht. Sie wartet nach eigenen Angaben auf den angekündigten Proteinimpfstoff.

Behörden rechnen mit Tausenden von Fällen

Entspannt kann auch Patricia O’Rourke, Verbundsleitung für das Seniorenzentrum Spitalhof in Münchingen, bleiben. Dort wird die Quote schon zu 100 Prozent erfüllt. Nur wenige der rund 70 Beschäftigten mussten in Einzelgesprächen von der Notwendigkeit der Impfung überzeugt werden.

Trotz der großen Akzeptanz der Impfung stellt sich das Gesundheitsamt in Böblingen auf viel Arbeit ein. Für den gesamten Landkreis rechnet es mit einer vierstelligen Summe an nicht-immunisierten Mitarbeitern im Gesundheitswesen, denn auch Beschäftigte in Arztpraxen, bei ambulanten Pflegediensten und ähnlichen Einrichtungen müssen einen Nachweis erbringen. Dort ist noch unklar, welche Vorgaben im Detail zu beachten sind. Für den Landkreis Ludwigsburg kalkuliert das dortige Gesundheitsamt sogar mit 2000 Personen, die zum Stichtag keinen Impfschutz nachgewiesen haben und kontaktiert werden müssen. Dabei handelt es sich aber um eine bloße Schätzung, heißt es seitens der Pressestelle.