Nachrichten von sexueller Gewalt dominieren seit einiger Zeit das Bild des Subkontinents in den Medien. Vorsicht ist angebracht, Panik dagegen nicht.

Dehli - Unglaubliches Indien - Incredible India! - mit diesem Slogan wirbt das staatliche Fremdenverkehrsamt um Touristen. Inzwischen liest sich der Werbespruch anderes als beabsichtigt. Unglaubliches Indien: Nach Angaben des National Crime Records Bureau wird in Indien alle 22 Minuten eine Frau vergewaltigt. Auch ausländische Touristinnen wurden Opfer sexualisierter Gewalt. Grandiose Landschaften, prunkvolle Paläste, farbenfrohe Festivals und Sehnsuchtsort auf der Suche nach dem Sinn des Lebens - all das steht für Indien. Doch seit einiger Zeit drängt sich auch das Wort Gruppenvergewaltigung auf.

 

„Die indische Gesellschaft ist von großen Gegensätzen geprägt“, sagt Kamla Sharma. „Je nach Region sind die Spannungen unterschiedlich“, erklärt die 36-jährige Lehrerin, die im Bundesstaat Kerala unterrichtet, der als fortschrittlich in Indien gilt. „Besonders arme Männer ohne Perspektive empfinden modern denkende Frauen als Bedrohung“, glaubt Kamla Sharma. Sie kritisiert die Bollywood-Filme, die ihrer Meinung nach für gesellschaftliche Zustände mitverantwortlich sind. „Die selbstbewussten Frauen werden dort oft als Vamp gezeigt“, ärgert sich Sharma. „Sie werden vor allem unmoralisch dargestellt.“

„Vorsicht ist ein guter Rat für jede Reise“

Manche Männer glaubten deshalb, sie hätten das Recht, selbstbewusste Frauen zu bestrafen - zum Beispiel durch Vergewaltigungen. „Wer sich unabhängig zeigt, ist besonders gefährdet“, sagt Kamla Sharma und warnt vor allem ausländische Touristinnen vor armen Gegenden im Norden Indiens. So zähle der Bundesstaat Madhya Pradesh, in dem eine Schweizer Touristin im März 2013 vergewaltigt wurde, als einer der ärmsten und rückständigsten Regionen und daher im Gegensatz zu Südindien als besonders gefährlich für Frauen. Kalpana Lal will allerdings nicht bestimmte Regionen kriminalisieren. Die Reiseleiterin aus Delhi appelliert an den gesunden Menschenverstand. „Vorsicht ist ein guter Rat für jede Reise“, sagt die 45-Jährige, die immer wieder beobachtet, dass das gerade in Indien oft nicht beherzigt wird.

„Viele kommen mit dem Wunsch hierher, gewohnte Grenzen zu überschreiten, neuen Sinn zu finden, spirituelle Erfahrungen zu machen. Den gesunden Menschenverstand lassen sie dabei schnell mal zu Hause.“ Wer sich aber „einigermaßen vernünftig verhält und ein paar Regeln beachtet, kann auch in Indien sicher reisen“, sagt Kalpana Lal. Da wäre als Erstes die angemessene Kleidung. „Knie und Schultern sollten bedeckt sein. Kurze Hosen, kurze Röcke und Träger-shirts werden von den Männern oft als anzüglich empfunden“, sagt die Reiseleiterin. Auch intensiven Blickkontakt mit einem Mann sollte man vermeiden: „Das wird leicht als Aufforderung missverstanden.“

Ihr Tipp: „Erwähnen Sie, dass Sie verheiratet sind und Kinder haben. Das wird in Indien respektiert - und schützt meist vor Zudringlichkeiten.“ Wer gern allein am Stand liegen möchte, sollte sich nicht unbedingt Indien als Reiseland aussuchen, rät Kalpana Lal. „Indische Männer und Frauen baden an öffentlichen Stränden oft getrennt.“ Dabei würden die Frauen meist ihren Sari tragen. „Im Bikini bleibt man besser am Hotelpool“, rät sie. „Unterkünfte und Transfers vom und zum Flughafen sollte man vor der Abreise organisieren“, meint die selbstbewusste Frau, die 20 Jahre Berufserfahrung hat. „Taxis bucht man am besten an den Prepaid-Ständen an Flughäfen oder Bahnhöfen oder im Hotel. In Zügen gibt es Abteile nur für Frauen.“ Außerdem sei es empfehlenswert, über einen seriösen Reiseveranstalter einen Fahrer zu engagieren.

Man sollte keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen

„Das ist auch nicht übermäßig teuer.“ Generell rät Kalpana Lal: „Große Feste und andere Menschenansammlungen sollten Frauen meiden, denn im Gedränge werden Männer manchmal zudringlich.“ Ihr Tipp: „Halten Sie sich in der Nähe indischer Familien und Frauen mit Kindern auf.“ Reiseveranstalter wie Studiosus oder Tui sehen bei Gruppeneisen nach Indien keine erhöhte Gefährdung für Frauen. „Allerdings müssen allgemeine Sicherheitsvorkehrungen in der programmfreien Zeit beachtet werden“, sagt Studiosus-Sprecher Frano Ilic. „Man sollte keine öffentlichen Verkehrsmittel wie Sammeltaxis und Busse nutzen.“

Auch auf Spaziergänge allein nach Einbruch der Dunkelheit und tagsüber in einsamem Gelände sollte man verzichten. Die Nachfrage nach Indien habe nachgelassen, so Ilic, der aber nur einen Teil des Rückgangs auf die Berichterstattung über die Vergewaltigungen zurückführt. „Wir sehen eher eine Marktsättigung.“ Auch bei Tui würden die Rundreisen durch Indien mit den Buchungen aktuell noch hinter dem Vorjahr zurückliegen, sagt Tui-Sprecherin Anja Braun. Das Badeprogramm auf Goa und Kerala dagegen bleibt in der Nachfrage stabil. Ihr Fazit: „Bei einer Veranstalterreise - sowohl Rundreise als auch beim Badeurlaub - sind die Urlauber weiterhin gut aufgehoben.“

Individualtouristen sollten sich über die Website des Auswärtigen Amtes zum aktuellen Stand der Sicherheitslage auf dem Laufenden halten. In den Sicherheitshinweisen heißt es derzeit: „Das allgemeine kriminelle Risiko für Ausländer in den touristisch stärker erschlossenen Gegenden Indiens ist eher gering. Reisende, vor allem Frauen, sollten sich - insbesondere vor dem Hintergrund zuletzt vermehrt berichteter sexueller Übergriffe - stets von Vorsicht leiten lassen.“

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Sicher durch Indien

Allgemeine Informationen
Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts: www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IndienSicherheit.html ;

Homepage der indischen Botschaft in Deutschland: www.indianembassy.de ;

Homepage des indischen Fremdenverkehrsamts in Deutschland: www.incredibleindia.org .