Manuela Bastian hat eine Dokumentation über eine indische Taxifahrerin gedreht. Der Film wird auf dem Indischen Filmfestival Stuttgart, das morgen beginnt, gezeigt. 

Stuttgart - Dinge, die man in Zusammenhang mit dem Indischen Filmfestival schon seit Jahren nicht mehr sagen sollte: „Ich mag aber eigentlich gar kein Bollywood“, „Ach, aber immer dieses Getanze“ und „Ist ja ganz nett, aber immer viiiiiel zu lang“. Wer noch nicht begriffen hat, dass Indisches Kino mehr ist als Drama, Tanz und hektoliterweise Romantik, hat die letzten Jahre komplett verschlafen und wahrscheinlich auch noch nicht mitbekommen, dass Bier jetzt Craft Beer heißt und der VfB abgestiegen ist. Vergnügliche, spannende und denkwürdige Nachhilfestunden gibt’s ab morgen. Dann startet wieder das Indische Filmfestival im Metropol und hüllt die Bolzstraße bis zum 24. Juli in ein indisches Farbenmeer. Inklusive Elefant.

 

Mittendrin im Programm: Die junge Regisseurin Manuela Bastian (Jahrgang 1987) steuert dem Programm mit "Where To, Miss?" eine persönliche, besondere und unverfälschte Dokumentation bei. Über mehrere Jahre hinweg hat die Filmakademie-Studentin die indische Taxifahrerin Devki bei ihrer Arbeit in Delhi begleitet. Wie ungewöhnlich es in einem Land wie Indien ist, dass eine Frau am Steuer eines Taxis sitzt, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Wie spannend, anstrengend und unvergesslich die Dreharbeiten in einer der größten Städte der Welt warne, interessiert das Stadtkind da schon viel eher. Wir trafen Manuela zu einem kühlen Getränk im Filmaka-Stammladen Blauer Engel direkt am Campus.

Wieso eigentlich Indien?

Das erste Mal war ich nach dem Abitur in Indien – drei Monate lang reiste ich 2007 mit einer Freundin durch das Land gereist. Das war trotz Tourismus-Brille wahnsinnig schön und spannend, warf aber schon damals viele Fragen auf, die ich mir nicht beantworten konnte. 2010 kehrte ich nach Indien zurück, um dort meinen Dokumentarfilm "Kampf in Pink“ über eine Bürgerwehr zu drehen. Dieses Erlebnis war ein völlig anderes, weil ich erstmals einen Einblick in das Leben der Menschen dort bekam. Das interessierte mich, das ließ mich nicht los. Als es 2012 zu den schrecklichen Vergewaltigungen kam und hier in den Medien ein schreckliches Bild sowohl der indischen Männer als auch der Frauen gezeichnet wurde, wollte ich unbedingt wieder nach Indien reisen, weil ich nicht glauben konnte, dass es wirklich so schwarzweiß ist. Bei meinen Recherchen stieß ich auf eine Taxifahrerin, die nur für Frauen fährt und entdeckte dieses sehr spezielle Thema für mich...

Sicherlich, eine Taxifahrerin dürfte in Indien eine Seltenheit sein.

Eben. Die meisten indischen Frauen können oder dürfen keine Berufe ausüben – schon gar nichts nachts oder hinter dem Steuer eines Taxis! Mich faszinierte diese Geschichte so sehr und stieß auf eine Organisation, die Taxis von Frauen für Frauen bereitstellt, sozusagen. Hier stieß ich auch auf Devki, die jetzt die Protagonistin in „Where To, Miss?“ geworden ist.

Wie kam Devki denn zum Taxifahren?

Leicht hatte sie es nicht. Ihr Vater wollte, dass sie Kosmetikerin wird – oder Hausfrau. Sie wurde zwangsverheiratet, floh aus dieser Ehe, wollte arbeiten, wollte ihr eigenes Geld verdienen. Sie suchte sich heimlich einen neuen Mann aus, der anfangs liberal erschien, aber irgendwann auch gegen ihre Arbeit war. Dazu noch eine Schwangerschaft... da war schon einiges los, dafür, dass sie erst 25 Jahren ist.

Klingt nach einer starken Frau.

Absolut. Sie ist durchsetzungsfähig, aber auch sehr offen und humorvoll.

Du bist drei Jahre in Folge für Dreharbeiten nach Indien gereist. War das geplant?

Nein, planbar ist in Indien sowieso nichts. Anfangs lag der Fokus noch stark auf dem Taxifahren, im laufe der Zeit kam ich aber mehr und mehr davon weg und wandte mich Devkis persönlicher Geschichte zu. Die finale Dreiteilung Vater – Ehemann – Sohn hat sich dann eher zufällig ergeben, worüber ich aber sehr froh bin.

Wie wurde die ganze Unternehmung finanziert?

Auf verschiedene Weise. Mittlerweile sind wir so gut wie mit Null rausgekommen, der Preis, den wir kürzlich auf dem Filmfestival Hof gewinnen konnten, tilgte die letzten Schulden. Jeder Dreh wurde eigenständig finanziert – zum Teil von der Filmakademie, zum Teil von meinen Eltern, zum Teil von Crowdfunding, zum Teil von der Norbert-Jansen-Stiftung. Mittlerweile ist „Where To, Miss?“ auch mein Drittjahresfilm hier an der Aka geworden.

Klingt alles nach einem kräftezehrenden Abenteuer.

Das war es, und ich bin wirklich sehr froh darüber, das alles gemacht zu haben. Ich bin mir derzeit allerdings nicht sicher, ob ich so etwas in der Art irgendwann noch mal angehen möchte. In Indien zu drehen ist ein einziges unkalkulierbares Risiko, man kann nichts planen und wird von jedem ständig versetzt. Nur unsere Protagonistin Devki nicht, die war immer zur Stelle. Und dann ist da natürlich noch diese riesige Stadt Delhi, wo man gerne mal drei Stunden unterwegs ist, um von einem Punkt zum anderen zu kommen.

Der schönste Moment beim Drehen?

Schön war es immer, wenn wir etwas Ehrliches, Persönliches einfangen konnten. Als wir im dritten Jahr wiederkamen und sie uns ihren Sohn zeigte oder als die das erste Mal zu ihren Schwiegereltern reiste und erstmals Schnee sah zum Beispiel.

Was magst du so sehr an Dokus?

Das ergab sich meist aus den Themen, die mich interessieren. Ich möchte demnächst auch mal etwas Szenisches drehen, doch eine Doku ermöglicht es mir, vollständig in eine andere Welt einzutauchen und einen selten intensiven Einblick zu bekommen. So etwas passiert nicht, wenn man als Tourist durch die Welt reist.

Erzähl doch noch mal was über dich: Wie bist du an der Filmaka gelandet?

Ich studierte erst zwei Jahre Malerei in München, merkte aber recht bald, dass die Themen, die mich interessierten, nicht auf ein Blatt Papier zu bringen waren. Hinzu kam meine Reiselust, was meine Wahl dann recht schnell bestimmte. Ich mag es auch, mich kopfüber in ein Projekt zu stürzen und dieses irgendwann abzuschließen, um mich etwas völlig anderem zuzuwenden. Als wäre ein Leben vorbei und ein neues würde beginnen – ohne zu wissen, welches.

Wie ist die Filmaka denn so?

Das hier ist ein toller Ort, eine Art ständige Klassenfahrt, weil man die Leute sehr schnell sehr gut kennenlernt. Das sehe ich als großen Vorteil, weil jeder sofort extrem gut vernetzt ist. Das ist in anderen Städten sicherlich anders. Dass die Aka eine derart eigene Welt ist, merkt man wahrscheinlich erst, wenn man hier studiert. Es ist eine regelrechte Enklave, in der man lebt und arbeitet.

Und wie siehst du deine Zukunft?

Ich bin zwar Optimist, weiß aber, dass es nicht gerade einfach ist, vom Filmemachen zu leben. Ich werde mir auf jeden Fall ein zweites Standbein aufbauen und irgendwann das Fotogeschäft meines Vaters am Ammersee übernehmen. So kann ich sicherstellen, dass ich weiterhin die Filme machen kann, die ich machen will.