Von Verbrauchsdaten vernetzter Autos bis zu Vorlieben von Facebook-Nutzern: Informationen gelten heute als wichtiger Rohstoff für die Wirtschaft. Warum sie so wertvoll sind, beleuchtet unsere vierteiligen Serie. Heute: Teil 1.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Neunzehn Dollar pro Nutzer in Nordamerika, in Europa nur sechs Dollar pro Nase: Die Quartalsberichte des sozialen Netzwerks Facebook vermitteln einen Eindruck davon, was persönliche Daten wert sind. Alle drei Monate schlüsselt der Internet-Konzern den Umsatz pro Nutzer nach Weltregionen auf. Im Wesentlichen geht es um die Werbe-Einnahmen, die Facebook generiert – und die kommen offenkundig hauptsächlich von US-Unternehmen. Insgesamt machte der Konzern im zweiten Quartal 2017 gut neun Milliarden Dollar Umsatz, weil die Profile seiner weltweit zwei Milliarden Nutzer der Werbewirtschaft wichtige Informationen für gezielte Kampagnen liefern.

 

„Daten sind das neue Öl“ – dieser dem britischen Marktforscher Clive Humby zugeschriebene Slogan ist zum geflügelten Wort geworden. So offensichtlich wie im Fall Facebook ist der Wert von Daten für traditionelle Unternehmen zwar nicht. Doch auch sie haben mit der systematischen Sammlung und Auswertung von Informationen begonnen. Die Palette reicht von Prozessdaten, die bei sensorgesteuerten Maschinen in der Industrie automatisch anfallen, über Informationen zum Fahrverhalten in vernetzten Autos bis hin zu hochsensiblen Gesundheitsdaten. Letztere werden von Versicherungen zwar seit Jahrzehnten erhoben, die Möglichkeiten für Auswertung der Informationen haben sich aber dank schneller Computer und moderner Analyseverfahren vervielfacht.

Tesla gilt als Vorreiter

Als einer der Vorreiter bei der Nutzung von Daten gilt der kalifornische E-Auto-Hersteller Tesla. „Tesla hat im Prinzip lauter Testpiloten draußen, weil jedes Fahrzeug permanent Daten darüber liefert, wie es im Alltag funktioniert“, sagt Thomas Erwin, Leiter des Bereichs Daten und Analyse bei der Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG.

Andere Hersteller ziehen nach: Laut einer Branchenstudie des Statistik-Portals Statista waren 2016 weltweit 27 Millionen vernetzte Autos unterwegs, davon drei Millionen in Deutschland. Als vernetzt betrachtet Statista jedes Fahrzeug, das über eine fest eingebaute SIM-Karte ständig mit dem Internet verbunden ist. Zu den wichtigsten Anwendungen zählen derzeit das automatische Notrufsystem E-Call sowie Telematiksysteme, über die der Fahrer beispielsweise aktuelle Verkehrsinformationen abrufen oder auch Musik streamen kann. Mit der E-Call-Funktion müssen in der EU ab 2018 alle Neuwagen ausgestattet werden, allein dadurch dürfte sich die Zahl der vernetzten Autos in den nächsten Jahren vervielfachen.

Auch Maschinenbauer wollen die Daten ihrer Geräte und Kunden stärker nutzen. Der Chef von Heidelberger Druckmaschinen, Rainer Hundsdörfer, will das Traditionsunternehmen zum „Amazon der Branche“ machen. Wie das Online-Kaufhaus soll Heidelberger Druck künftig als Serviceplattform agieren und den Kunden neben Maschinen etwa Software und Druckfarben anbieten – auch von anderen Herstellern. Mithilfe der Daten, die das Unternehmen schon jetzt von den Maschinen zugespielt bekommt, könnten die Bedürfnisse der Kunden künftig automatisch ermittelt werden.

Informationen aus sozialen Netzwerken nutzen

Welche Möglichkeiten sich Unternehmen bieten, die neben Daten ihrer eigenen Kunden und Geräte auch Informationen aus sozialen Netzwerken und anderen Quellen heranziehen, erläutert KPMG-Experte Erwin an folgendem Beispiel: „Wir haben für ein großes Franchise-Unternehmen, das weltweit jährlich 40 Filialen eröffnet, ein Modell zur Auswahl geeigneter Standorte entwickelt.“ Für jedes infrage kommende Ladenlokal analysiere das Programm über 1000 Datenpunkte, darunter die Bevölkerungsstruktur im Viertel, die Einbruchsquote, die Verkehrsanbindung und Wettbewerber im Umkreis.

Die Nutzung derart umfassender Datenanalysen, bekannt als „Big Data“, ist in Deutschland noch nicht sehr verbreitet. Das geht aus einer Studie des Digitalverbands Bitkom hervor, der im Auftrag von KPMG rund 700 Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern befragte. Ein Drittel von ihnen nutzt nach eigenen Angaben Big-Data-Lösungen, definiert als „die Analyse von großen Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen in hoher Geschwindigkeit“.

Manchmal scheitert schon die Datenerhebung

Manchmal scheitert allerdings schon die Erhebung der Daten. Ein Extrembeispiel: Eigentlich sollte in diesem Jahr der Startschuss für die Verbreitung intelligenter Stromzähler fallen. Das sind Messsysteme, die Daten mit dem Stromlieferanten austauschen und beispielsweise Geräte dann einschalten können, wenn der Strom besonders günstig ist. Ab diesem Jahr sollten solche intelligenten Zähler flächendeckend bei Unternehmen installiert werden. Doch der Einbau verzögert sich, weil die Zähler zunächst noch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert werden müssen. Schließlich sollen die Geräte vor Hacker-Angriffen geschützt werden.