Weil viele sehbehinderte Kinder auf Regelschulen gehen, gibt es an der Sonderschule mit Förderschwerpunkt Sehen noch Platz: Die Ernst-Abbe-Schule in Zuffenhausen nimmt von der Klasse eins bis zehn auch nichtbehinderte Kinder auf.

Stuttgart - Die Ernst-Abbe-Schule in Stuttgart-Rot ist eine der wenigen Schulen in Stuttgart, in der es „Inklusion umgekehrt“ gibt: Das Sonderpädagogische Bildungszentrum (SBBZ) mit Förderschwerpunkt Sehen nimmt auch Kinder ohne Sehbehinderung auf. Was bisher als Schulversuch einzelnen Schülern vorbehalten war, ist inzwischen ein offizielles Angebot: „Wir haben das jetzt geöffnet – es sind in allen Klassenstufen Kapazitäten da“, sagt Schulleiterin Nina Bähnk. Das bedeutet: von der ersten Grundschulklasse bis zur zehnten Klasse, die mit dem Realschulabschluss endet.Die Schule orientiert sich am regulären Lehrplan der allgemeinbildenden Schulen, unterstützt aber vor allem Kinder mit Sehbehinderung und bietet deshalb kleine Klassen an. Normalerweise sind maximal zehn Kinder pro Klasse vorgesehen, bei der Inklusion umgekehrt dürfen es bis zu elf sein. Aktuell nutzen drei nicht behinderte Realschüler dieses Angebot. Davon profitierten insbesondere Schüler, die in den großen Realschulklassen nicht zurecht kommen, so Bähnk.

 

Einzugsgebiet der Ernst-Abbe-Schule reicht bis Calw

Obwohl das Einzugsgebiet der Abbe-Schule bis Calw reicht und die Familien oft lange Anfahrtswege der Schüler in Kauf nehmen, ist die Schülerzahl im Rotweg überschaubar: 49 Sehbehinderte besuchen die zehn Jahrgangsstufen der Schule, davon kommen nur 20 Prozent aus Stuttgart. Doch die Sonderschulpädagogen betreuen neben 50 Krippen- und Kindergartenkindern auch noch 100 weitere sehbehinderte Schüler, die auf Regelschulen gehen – auch von ihnen stammt nur ein Viertel aus Stuttgart. „Wir sind auch eine Durchgangsschule“, erklärt Bähnk. „Wir gucken jährlich neu: Was braucht das Kind? Welcher Lernort ist der richtige?“ Schon seit Jahren kooperiert die Abbe-Schule mit der Rilke-Realschule. Von der Klassenstufe sieben an absolvieren die Abbe-Schüler ihre Wahlpflichtfächer dort. „Das ist für unsere Kinder auch ein Stück Realität kennenlernen“, sagt Bähnk.Ein Stück Realität könnten auch Regelschüler an die Abbe-Schule bringen, wo es in manchen Klassenstufen nur zwei Schüler gibt – etwa in den Klassen fünf und neun – und deshalb auch jahrgangsübergreifend unterrichtet wird. Und dies auch durchaus anders als an Regelschulen: „Alle Schüler ab Klasse fünf arbeiten bei uns am PC“, sagt Bähnk. Ein Vorteil, von dem auch Regelschüler profitieren können. Anfragen nimmt die Abbe-Schule direkt entgegen.

Schulamt begrüßt „Inklusion umgekehrt“

Bei den Kultusbehörden begrüßt man dies: „Wenn die Schulen sich auf den Weg machen, unterstützen wir das“, sagt Christof Kuhnle vom Staatlichen Schulamt. Er verweist aber auch auf die Grenzen. Die Aufnahme von Regelschülern dürfe „keine zusätzlichen Ressourcen auslösen“. Sprich: die Abbe-Schule darf zwar ihre Klassen auffüllen, aber keine zusätzlich bilden.