Etwa 1,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Alzheimer. Tendenz: rapide steigend. Ein Blick in die Region zeigt, dass sich die Pflegeheime immer besser auf die Betroffenen einstellen – und dabei auch bereit sind, Neuland zu betreten.

Stuttgart - Nachtcafés, Therapiegärten, Wohngemeinschaften – der Umgang mit Demenzkranken wird immer kreativer. Doch nicht nur die therapeutischen Angebote werden weiterentwickelt. Auch baulich und technisch tut sich einiges.Im Stuttgarter Seniorenzentrum Schönberg setzt man auf moderne Technologie, um Demenzkranken einen hohen Grad an Freiheit gewähren, aber im Falle eines Bewohners, der das Haus unbemerkt verlässt, schnell reagieren zu können. Zum Einsatz kommt eine Digitaluhr mit Ortungsfunktion und Notfallknopf. Per SMS lassen sich die aktuellen Koordinaten des Bewohners herausfinden; sein Standort kann über Google-Maps ausgemacht werden. Wird der programmierte Aktionsradius überschritten, schlägt die Uhr Alarm. Momentan ist nur ein Bewohner mit dem Gerät ausgestattet. „Inzwischen haben auch andere Einrichtungen diese Geräte im Haus“, sagt Jochen Ziegler, der Leiter der Bruderhaus-Diakonie Stuttgart, die das System als erster Altenhilfeträger in der Landeshauptstadt eingesetzt hat. Technisch auf dem neuesten Stand ist auch der Paulinenpark der Diak-Altenhilfe. Dort ist eine „Schutzengel-Anlage“ aktiviert, die Aufzüge oder Türen verriegelt, wenn sich ein desorientierter Bewohner einem Ausgang nähert. Zum Einsatz kommt das System laut Träger nur nachts oder im Winter. Ausgestattet ist der Bewohner in diesem Fall mit einem Armband mit Chip, dessen Informationen über elektromagnetische Wellen von einem Lesegerät abgefragt werden.In Ludwigsburg gibt es seit März einen Zug, den man nicht verpassen kann. Im Haus am Salon, der Altenpflegeeinrichtung der Karlshöhe, wurde ein Raum eingerichtet wie ein Bahnabteil. Dort werden die Bewohner auf eine virtuelle Reise geschickt: Sie können sich auf original Erste-Klasse-Sitzen der Deutschen Bahn niederlassen und auf einem Bildschirm wie durch ein Fenster vorbeiziehende Landschaften betrachten. Das Angebot soll vor allem bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz helfen, Erinnerungen an Reiseerfahrungen zu wecken – und ist der Karlshöhe zufolge einzigartig in Deutschland.

 

Ortungssysteme und Schutzengel-Anlagen

Ungewöhnlich ist auch ein Ansatz des Pflegeheims an der Metter in Bietigheim-Bissingen. Dort gibt es eine neue Bewohnerin: die Roboterrobbe Emma. Das sensorgesteuerte Plüschtier gibt wohlige Fiepslaute von sich, wenn es gestreichelt wird, quietscht, wenn man es an den Schnurrhaaren zieht, und wackelt mit den Flossen. Der „emotionsstimulierende“ Roboter suggeriert, selbst Gefühle zu haben, und stimuliert sie so bei Menschen. Damit soll er Demenzkranke von ihrer Teilnahmslosigkeit befreien. Derweil will der Kreis Ludwigsburg künftig neue Wege im Umgang mit Demenzkranken fördern: 50 000 Euro Anschubfinanzierung stellt er für Pflege-Wohngemeinschaften bereit.