Im Dschungelcamp werden Insekten als Ekeltiere vorgeführt. Ihr Ruf entspricht nicht der Realität. Ein Besuch in der Stuttgarter Wilhelma.

Stuttgart - Die Dame ist gar nicht amüsiert. Sie stößt ruckartig Luft aus, ihr Fauchen erinnert an eine aufgeschreckte Katze. Dann verharrt sie regungslos. Was soll ihr schon passieren? Sie hat einen dicken Panzer, an dem sich manche Feinde schon vergeblich die Zähne ausgebissen haben. Zum Frühstück zermanschte sie einen leicht angeschimmelten Apfel. Weich, nicht zu hart, so schmeckt es ihr ohnehin am besten. Eigentlich ist es ein Tag wie jeder andere, feuchtheiß, das behagt ihr. Die Sonne ist morgens wie immer pünktlich um halb neun in Gestalt einer Leuchtstoffröhre aufgegangen.

Die Welt scheint in Ordnung zu sein, für die madagassische Riesenfauchschabe, die in einem Terrarium in der Wilhelma lebt. Doch dann kommt dieses unbekannte Geschöpf, nimmt sie aus dem Glaskasten heraus, dreht sie auf den Kopf, zeigt auf Fühler, Beine und Panzer.

Höchste Zeit für die Schabe, die eigene Gefährlichkeit zu beweisen. Sie faucht noch einmal. Isabel Koch lächelt, die Kuratorin für Fische, Reptilien und Insekten weiß genau, dass die Drohlaute der sieben Zentimeter großen Kakerlake nur Theater sind. Alles nur Show, um Feinde abzuschrecken. Wie so oft ist in der Welt der Gottesanbeterinnen, Pharaoameisen und Kartoffelkäfer manches ganz anders, als es scheint. Und völlig den menschlichen Maßstäben entrückt: "Wer sagt denn, dass man Ohren haben muss, um zu hören?" fragt Isabel Koch.

Insekten treten im Fernsehen als "Ekeltiere" auf


Und dann erzählt sie, wie Heuschrecken mit den Beinen hören können, Schmetterlinge mit ihren Fühlern riechen und Spinnen mit ihrem Tastsinn unterscheiden können, ob nur eine Windbö das Netz bewegt oder vielleicht doch eine delikate Fliege.

Isabel Koch arbeitet nicht nur als Zoologin und Expertin für Fische und Gliederfüßler in der Wilhelma. Sie sieht sich auch als Anwältin der Insekten, in deren Welt sie faszinierende Überlebenskünstler entdeckt – und keine Ekeltiere. In den nächsten zwei Wochen ähnelt ihr Kampf um die Würde der Tiere jedoch jenem von Don Quichote, der gegen Windmühlen anreitet: Am Freitag startet die neue Staffel » des RTL-Dschungelcamps.

Wieder ziehen Prominente, die mindestens schon mal im Fernsehen vor der Kamera ihre Brüste aufpumpen ließen, in die australische Wildnis, um sich Prüfungen zu stellen. Die sehen dann so aus: das Busenwunder muss eine "Horrorhaarwäsche mit einem Shampoo aus Maden" über sich ergehen lassen. Das Popsternchen darf in der "Kammer des Schreckens" ein Kakerlakenbad nehmen. Die Rollen sind klar verteilt, die Spielregeln begreift jeder: Die Insekten treten als "Ekeltiere" an, die Stars sollen ein wenig leiden, die Zuschauer dürfen sich auf ihrer Couch im Wohnzimmer wohlig gruseln.

Insekten als Global Player


Im winterlichen Deutschland sitzen sie ja allein auf ihren Sofas. Hier stört kein Insekt, wuseln keine lästigen Untermieter umher. Nichts krabbelt.

Oder etwa doch? Das Insektarium der Wilhelma weckt Zweifel. Insekten sind die wahren Global Player, keine andere Tierart profitiert mehr vom Handel zwischen den Kontinenten. Wenn in Hamburg Container aus Indonesien gelöscht werden, krabbeln möglicherweise auch gefräßige Reismehlkäfer von Bord. Ursprünglich gab es die Tiere nur in Afrika. Doch inzwischen sind sie zu einem ungewollten Exportschlager geworden.