Die Insolvenz der Unister-Holding verunsichert viele Kunden, weil sie nicht wissen, ob ihre über Internetportale wie fluege.de oder Ab-in-den-Urlaub gebuchten Flüge, Fahrten oder Reisen sicher sind.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Leipzig - Jung, dynamisch, erfolgreich – im deutschen Internetgeschäft galt Thomas Wagner als große Nummer. Schon mit 23 Jahren startete der Ostdeutsche in Leipzig sein erstes Online-Portal Unister, eine Studenten-Tauschbörse. Unter dem Dach des gleichnamigen Unternehmens entstanden seit 2002 rund 40 Internetplattformen, darunter touristische Schwergewichte wie Fluege.de, Urlaubstours und Ab-in-den-Urlaub mit prominenten Werbefiguren wie Michael Ballack und Rainer Calmund.

 

Niemand verkaufte in Deutschland lange Zeit mehr Reisen übers Internet als Unister. Vorige Woche jedoch endete die Erfolgsgeschichte des umstrittenen Unister-Gründers jäh. Der 38-jährige Internetmillionär kam beim Absturz eines Kleinflugzeugs in Slowenien ums Leben. Mit ihm starben der Mitgesellschafter Oliver Schilling (39), der Pilot und ein Finanzvermittler. Die Maschine war auf dem Rückflug von Venedig. Dort soll Wagner versucht haben, einen Zehn-Millionen-Kredit für seine Firma zu bekommen, der schon lange Finanzprobleme nachgesagt werden. An der Absturzstelle wurde laut Medienberichten ein Koffer voller Bargeld in Millionenhöhe gefunden. Wenige Tage nach dem Unglück meldeten zwei der verbliebenen Gesellschafter am Montag Insolvenz beim Amtsgericht Leipzig an.

Portale haben sich unter Verbraucherschützern wenig Freunde gemacht

Auf bis zu zwei Milliarden Euro schätzen Branchenkenner allein die Reiseumsätze, die in Spitzenzeiten über Wagners Plattformen vermittelt wurden. Daneben werden Informations- und Ratgeberportale betrieben. Der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther betont, dass die operativen Gesellschaften der Holding bislang nicht von der Pleite betroffen seien. Unister solle „voll handlungsfähig bleiben“.

Ob das gelingt, gilt in der Branche als fraglich. Seit Jahren steckt Unister in argen Turbulenzen. Ende 2012 landeten Wagner und weitere Manager nach einer Razzia in Untersuchungshaft. Der Verdacht: Steuerhinterziehung, Computerbetrug und unerlaubtes Vermitteln von Versicherungen. Das Verfahren ist noch beim Landgericht Leipzig anhängig. Nach der Freilassung zog sich Wagner zurück, eine Holding wurde gegründet, Manager kamen und gingen.

Vergeblich suchte der Gründer nach potenten Finanz- und Geschäftspartnern für die neu gegründete Reisesparte Unister Travel, um aus der Krise zu kommen. In der Zentrale im Leipziger Barfußgässchen bangen nun die verbliebenen Mitarbeiter um ihre Jobs. Allein seit dem vorigen Jahr sank die Zahl der Beschäftigten deutlich, damals war noch von 1700 Mitarbeitern die Rede, nun sind es noch 1100. Für die nächsten Monate übernimmt nun der Staat über das Insolvenzgeld die Löhne und Gehälter.

Mit ihren heftig umstrittenen Geschäftsmethoden haben sich die Unister-Portale unter Verbraucherschützern wenig Freunde gemacht. „Immer wieder beschweren sich Kunden über Probleme“, sagt Rechtsexpertin Anne-Katrin Wiesemann von der Verbraucherzentrale (VZ) Sachsen. Die Folge: eine Vielzahl von Gerichtsprozessen, unter anderem wegen undurchsichtiger Preisgestaltung auf fluege.de, wegen belästigender Mailwerbung, wegen hoher und intransparenter Kosten für Reiseversicherungen.

Nach der Pleite gibt es nun viele Anrufe von verunsicherten Kunden

Unter anderem prozessierten der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Wettbewerbszentrale gegen die Leipziger, die sich mit harten Bandagen gegen Kritik wehren. Aktuell scheiterte die Unister Holding mit dem Versuch, Passagen eines Internetberichts der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg über die Maschen des Konzerns bei Gericht untersagen zu lassen (Landgericht Leipzig, AZ 08 O 1432/16).

VZ-Juristin Dunja Richter freut sich über das Urteil: „Es ist unsere Aufgabe, Verbraucher über unseriöses Unternehmensverhalten aufzuklären.“ Die Experten kritisieren unter anderem, dass Unister-Seitenbetreiber nach gerichtlich erwirkten Urteilen gegen sie regelmäßig ausgetauscht würden und damit das „Katz-und-Maus“-Spiel von Neuem beginne.

Nach der Pleite gibt es nun viele Anrufe von verunsicherten Kunden bei den Verbraucherzentralen, die fragen, ob ihre Reise noch stattfindet, und um ihr Geld bangen. „Generell bestehen die Verträge weiterhin, solange die operativen Gesellschaften nicht von der Insolvenz betroffen sind“, sagt Rechtsexpertin Wiesemann. Ohnehin sind die Unister-Portale wie fluege.de und Ab-in-den-Urlaub meist nur Vermittler für Airlines und Reiseveranstalter, mit denen die Kunden dann den Vertrag schließen.

Bei Pauschalreisen sind Verbraucher zudem über den Sicherungsschein abgesichert, der bei einer Insolvenz des Veranstalters garantieren soll, dass Kunden nicht ihr Geld verlieren. Die Kündigung gebuchter Reisen sollte man sich gut überlegen, rät die Expertin. Denn dann ist meist die Anzahlung weg, und man muss womöglich auch einen Teil des Reisepreises zahlen.