Eine Künstlergruppe um Nina Kurzeja will mit einer audio-visuellen Installation an Frauen im Widerstand erinnern. Zu sehen ist „Gegen das Vergessen“ im Rahmen des Festivals „Fem-Palais“.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Der Lichthof des Justizgebäudes in der Urbanstraße war während des Nationalsozialismus ein Ort des Schreckens; mindestens 423 Menschen wurden hier mit dem Fallbeil hingerichtet. Die erste Frau, die das NS-Regime als Widerstandskämpferin zum Tod verurteilte, war die Stuttgarterin Lilo Herrmann – hingerichtet wurde die junge Aktivistin 1938 in Berlin. „Eigentlich sollte sie in Stuttgart viel bekannter sein“, sagt Nina Kurzeja.

 

Die Künstlerin, die sich in der Tanzszene einen Namen gemacht hat, möchte nun als Regisseurin mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern und mit einer audio-visuellen Installation vor dem Landgericht dem Erinnern nachhelfen. „Gegen das Vergessen“ heißt das Projekt ihrer Produktionsfirma Blomst!, das ab Freitag drei Tage lang Frauen im Widerstand würdigen will und im Rahmen des vom Stadtpalais initiierten Festivals „Fem-Palais“ stattfindet.

Die Videos sind nicht leicht zu konsumieren

Auf Bildschirmen läuft der visuelle Part der Ausstellung. Sie würden so angebracht, erklärt Nina Kurzeja, dass die darauf gezeigten Videos nicht leicht zu konsumieren seien. „Wir werden die Screens so aufstellen, dass man sich diesen Bildern bewusst widmen muss“, sagt Kurzeja und erklärt: „Die Bilder erzählen von Gewalt an Frauen und vom Widerstand von Frauen.“

Wo ist Maria Kalesnikawa?

Maria Kalesnikawa ist eine der Frauen, die auf diese Weise dem Vergessen entrissen werden soll. „Sie ist immer noch im Gefängnis, seit Februar sind ihre Freunde ohne Nachrichten von ihr“, erinnert Nina Kurzeja an das Schicksal der seit drei Jahren inhaftierten belarussischen Oppositionsführerin, die in Stuttgart als Musiklehrerin tätig war.

Musik als universelle Sprache spielt auch in „Gegen das Vergessen“ eine wichtige Rolle. So singt die Solitude-Stipendiatin Viktoriia Vitrenko, tänzerisch umgesetzt von Pilar Murube, Luigi Nonos Hommage an die algerische Widerstandskämpferin Djamila Boupache. Und die Hymne des aktuellen iranischen Widerstands erklingt verknüpft mit historischen Bildern, die an die Proteste des Weltfrauentags 1979 erinnern.

Emanzipation im Rückwärtsgang

„Für Frauen verändert sich vieles gerade eher nach hinten als nach vorn. Wir sind nicht laut genug“, sagt Nina Kurzeja. Um zu erleben, mit wie vielen Stimmen die Installation „Gegen das Vergessen“ Frauen Gehör verschafft, sollten Neugierige Smartphone und Kopfhörer mitbringen. Per QR-Code lässt sich die Playliste zu den Videos herunterladen. „Besucher können sich die Soundcollagen zu den Videobildern selbst zusammenstellen und beobachten, wie der Ton die Bilder verändert“, ermuntert Nina Kurzeja zum Experimentieren. Möglich ist das an den drei Installationstagen jeweils von 11 bis 16.30 Uhr. Dazwischen gibt es zu jeder vollen Stunde eine Live-Performance der beteiligten Künstlerinnen und Künstler.

Über die Installation hinaus, so der Wunsch Nina Kurzejas, möchte sie das Bildmaterial mit Hilfe ihrer Produktionsfirma Blomst! im Internet hochladen. „Für mich ist das ein sehr wichtiges Thema. Erinnerungskultur sollte möglichst viele Formate entwickeln, um Geschichte leicht zugänglich zu machen“, sagt Nina Kurzeja.

Info

Termin
Die audio-visuelle Installation ist vom 2. bis zum 4. September in der Urbanstraße 20 zu Gast und jeweils von 11 bis 16.30 Uhr erlebbar. Jeweils zur vollen Stunde gibt es Live-Performances. Eigenes Smartphone und Kopfhörer sind von Vorteil, es gibt aber auch Kopfhörer zum Leihen.

Künstler
Die Regie des Blomst!-Projekts liegt bei Nina Kurzeja. Beteiligt sind die Sängerinnen Viktoriia Vitrenko und Paria Tavakoli Dinani sowie die Tänzerin Pilar Murube. Für die Bildumsetzung zeichnet Alexander Schmidt verantwortlich, für die Recherche Manfred Heinfeldner, für den Sound Scott Roller.