Institution im Stuttgarter Süden Die Anarchistin vom Alimentari steht unter Artenschutz

Der Förderverein Fiume per Loretta übernimmt die Miete für den Alimentari von Loretta Petti in S-Süd. Der Betrieb mit italienischen Mittagstisch und kulturellen Abendprogrammen soll so gerettet werden.
S-Süd - Ein Seufzer der Erleichterung hallte diese Tage durch Loretta Pettis elektronisches Tagebuch. „So fühlt man sich, wenn man vom Verschwinden gerettet wird: Zwischen Artenschutz und Kulturerbe. Ein neuer Mietvertrag ist also unterschrieben und wir dürfen an der Römerstraße 8 weiter kochen, veranstalten, leben“, verkündete die kultige Köchin in ihrem Blog. Der Vermieter hatte im Herbst vergangenen Jahres plötzlich Eigenbedarf angekündigt und Loretta Petti Ladenlokal und Wohnung an der Römerstraße gekündigt. Das Aus dräute dem italienischen Mittagslokal samt subkultureller Kellerbühne, in der sich das Who-is-who der lokalen Jazzszene sowie Literaten und Schauspieler auf die Bühne zwängen, um in familiärer Atmosphäre einfach mal das zum Besten zu geben, worauf sie Bock haben.
Bedingungslose Zuwendung
Die angestammten Mittagstischler und Veranstaltungsbesucher solidarisierten sich daraufhin mit ihrer Wirtin und setzten die Petition „Loretta muss bleiben!“ auf. „Das Alimentari und die Kulturgarage dürfen nicht weggentrifiziert werden!“, hieß es im Aufruf. „In mehr als 30 Jahren ist an der Stuttgarter Römerstraße 8 ein Kleinod entstanden“ und zum „Überlebensmittel“ gereift. 2000 Unterschriften kamen zusammen. Doch was hilft das, wenn ein Hausbesitzer von seinem verbrieften Recht Gebrauch macht, in sein Haus einzuziehen?
Roland Weber, Freund des Hauses und Stammjazzer auf Lorettas Bühne, trat in Verhandlung mit dem Vermieter. Und nach zähem Hin und Her ließ dieser sein Herz sprechen, fand für sich und seine Familie eine andere Unterkunft, und Loretta und ihr Alimentari durften bleiben. Aber nicht zur selben, spottbilligen Miete wie bisher. Eine Erhöhung im ortsüblichen Rahmen musste sie schon in Kauf nehmen. Die Mieterhöhung blieb damit zwar fair, aber für die beliebte Kultköchin immer noch außer Reichweite.
Da tat sich ein wundersamer Quell auf, der nun zaghaft aber stetig geradewegs in Lorettas Registrierkasse sickert: „Fiume per Loretta“ nennt sich der exklusive Förderverein für Pettis Alimentari, den Stefan Hahn ins Leben gerufen hat. „Die Zuwendung des Vereins ist bedingungslos!“, sagt der italophile – und -phone Projektmanager. „Wir haben kein Mitspracherecht dabei, was in ihrem Laden passiert.“ Man wolle bloß blechen, damit Loretta Petti weiterhin machen könne, was sie machen wolle. Natürlich wäre ihm die eine oder andere wirtschaftliche Optimierung eingefallen, sagt Roland Weber vom Förderverein. So habe er vorgeschlagen, Loretta könne doch einen Euro pro Teller beim Mittagstisch aufschlagen, „und dann wäre er immer noch günstig“. Aber Loretta Petti winkte entschieden ab: Sie werde doch mit so was ihre Stammgäste nicht vergraulen! „Sie kennt halt kein Gewinnstreben“, so Weber entwaffnet: „Die Freiheit, die sie als Anarchistin braucht, dürfen wir nicht einschränken“, resümiert Weber. Das Geld solle fließen, damit diese Frau so weitermachen kann wie bisher. Sonst nichts.
Retter für 50 Euro im Jahr
Und Loretta Petti? In ihrem Blog dankt sie ihren Freunden, Gästen, Nachbarn, Einrichtungen, die sich solidarisierten, und besonders den Kulturschaffenden: „Nicht zuletzt ist es ein Sieg von den Musikern, Schauspielern, Litertaturmenschen die hier mit viel Passione und Engagement so viele Jahre lang uns tolle Abende dargeboten haben und weiter auftreten können.“
Knapp 200 Mitglieder braucht der Förderverein, dessen Mitgliedschaft 50 Euro im Jahr kostet, damit Loretta übern Berg kommt. „Das sind zehn Prozent von allen, die die Petition ,Loretta muss bleiben!‘ unterzeichnet haben“, sagt Hahn. Jetzt bekommen sie die Chance, Ernst zu machen.
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