Der Mittlere Neckarraum und das Land sind bei ausländischen Fachkräften beliebt. Die Zahl der Anträge auf Anerkennung von Abschlüssen ist im Vorjahr beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart und den Kammern auf mehr als 12.000 gestiegen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Der Mittlere Neckarraum und das Land insgesamt erfreuen sich bei ausländischen Fachkräften großer Beliebtheit. Die Zahl der Anträge auf Anerkennung von Schulabschlüssen oder Berufsausbildungen ist im Vorjahr beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart und den Wirtschaftskammern auf mehr als 12 000 gestiegen. Ein Jahr zuvor waren es circa 10 000. Die meisten Antragsteller kommen aus den Ländern Südost- und Südeuropas, vermehrt sind es aber auch qualifizierte Flüchtlinge aus Krisengebieten. Das Problem dabei: Die Bearbeitungszeiten beim Regierungspräsidium dauern wegen Personalknappheit deutlich länger als die Frist von drei Monaten.

 

Mehr ausländische Ingenieure stellen Antrag

So haben im Vorjahr knapp 8680 Personen beim RP, das in dieser Frage für das ganze Land zuständig ist, einen Antrag gestellt, dass ihnen ihr Schulabschluss anerkannt wird, 2012 waren es 6200. Tendenz: weiter stark steigend. Der Hauptteil der Anträge, zum Großteil geht es um die Hochschulreife, stamme von Menschen aus Ländern des früheren Ostblocks, gefolgt von Personen aus Südeuropa, vermehrt auch aus Syrien und dem arabischen Raum.

Ein ähnliche Entwicklung findet sich bei Ingenieuren aus dem Ausland. Vor wenigen Jahren gingen im Regierungsbezirk gerade mal 25 Anträge ein, 2013 waren es 132, im Vorjahr schon 167, knapp 90 Prozent wurden anerkannt. Häufigste Herkunftsländer: Griechenland, Russland und Rumänien. Auch bei den Ausbildungsberufen, wo die Industrie- und Handelskammern (IHK) und die Handwerkskammern (HWK) Anerkennungsstellen sind, stiegen die Zahlen merklich. Seit 2012 hat die IHK der Region die Berufsausbildung von 300 Ausländern als ganz oder teilweise gleichwertig anerkannt. Die wichtigsten Berufsgruppen sind kaufmännische sowie Metall- und Elektroberufe, die meisten Antragsteller kamen aus Polen, Russland und der Türkei. Die Zahl ist respektabel, wie bei den Ingenieuren aber überschaubar. „Im Verhältnis zum Fachkräftemangel ist die Zahl gering“, räumt IHK-Sprecherin Anke Seifert ein. „Es ist ein Weg unter anderen, alle Potenzial zu mobilisieren.“ Hierzu muss man wissen: die Leute müssen ihren Berufsabschluss nicht anerkennen lassen, sie können auch so arbeiten. Und ein Anerkennungsverfahren kann wegen teurer Recherchen Hunderte Euro kosten.

Süssmuth: Ausbildung nicht schlechter als bei uns

Vor diesem Hintergrund ist die Statistik der HWK in der Region zu sehen. Dort wurden im Vorjahr 85 Berufsausbildungen als gleichwertig beurteilt (229 seit 2012). Die meisten Antragssteller kommen aus Bosnien-Herzegowina, der Türkei und Griechenland. Es habe sich gezeigt, dass die Ausbildungen im Ausland „nicht unbedingt schlechter sind als bei uns“, sagt Volker Süssmuth von der HWK. Auch wenn oft Nachschulungen in der Praxis oder zu Vorschriften nötig seien. Nennenswert hoch sind die Zahlen bei Elektronikern aus Bosnien-Herzegowina, weil eine Leihfirma aus der Region dort gezielt akquiriert.

Mit Abstand die meisten Anerkennungen sind in den Erziehungs- und in den Gesundheitsberufen zu verzeichnen. So ist die Zahl der vom Regierungspräsidium Stuttgart im Land ganz oder zum Teil anerkannten Erzieherinnen von 199 im Jahr 2012 auf 594 im Vorjahr gestiegen. Sie kommen insbesondere aus Rumänien und Polen, aber auch aus Spanien und Griechenland. Etwa ein Fünftel der Anträge wurde abgelehnt, rund die Hälfte der Bewilligungen sind Teilanerkennungen, die Betreffenden müssen sich nachqualifizieren.

Rückgang bei Ärzten und Apotheker

Die nach wie vor höchste Zahl von Anerkennungen ausländischer Abschlüsse in Baden-Württemberg sind bei Ärzten, Zahnärzten und Apothekern zu verzeichnen. Diese lagen 2014 bei 1233, rund 100 davon Apotheker. Das ist ein Rückgang. Zwei Jahre zuvor lagen die Approbationen oder Berufserlaubnisse an ausländische Ärzte im Land mit 1400 noch über den 1360, die an Mediziner erteilt wurden, die ihren Abschluss hierzulande gemacht hatten. „Wir sind sehr froh über diesen Zuzug von außen“, sagt Oliver Erens, der Sprecher der Landesärztekammer. Viele Ärzte kommen aus Rumänien, Griechenland, Ungarn, Russland, Italien und Bulgarien.

Nicht anders ist es in den Pflegeberufen, wo die Zahl der Anerkennungen im Land von 2013 auf 2014 von 253 auf 590 nach oben geschnellt ist. Das Personal kommt vor allem aus Südost- und Südeuropa. Die Pflege zeigt aber: das Regierungspräsidium als Anerkennungsbehörde ist unterbesetzt. „Das RP ist überlastet, man wartet als Antragsteller Monate“, sagt Stefanie Andersson, die beim Jobcenter das Projekt Integration durch Qualifikation betreut. Auch Nora Yildirim vom Migrationsdienst der Arbeiterwohlfahrt (Awo) beklagt, dass beim RP Stuttgart das Personal nicht reicht. „Da hat ein Krankenpfleger aus dem Ausland fünf Arbeitgeber an der Hand – und dann muss er warten.“