Für die Zeit der Generalsanierung der Stuttgarter Oper fehlt noch immer eine passende Übergangslösung. Es gibt zwar Vorschläge für Ausweichspielstätten. Aber die Künstler warnen davor, das Stadtzentrum zu verlassen.

Stuttgart - Die unlängst zum „Opernhaus des Jahres“ gekürte Staatsoper Stuttgart sieht wegen der geplanten Ausweichspielstätten ihren Ruf in Gefahr. „Wir benötigen ein Interim, in dem wir künstlerisch und wirtschaftlich vertretbar agieren können“, sagte der geschäftsführende Intendant der Württembergischen Staatstheater, Marc-Oliver Hendriks, der Deutschen Presse-Agentur. An diesem Montag (14. November) will sich der Verwaltungsrat des Theaters mit der Frage befassen, an welcher Stelle in der gerade wieder zur Kulturhauptstadt Deutschlands erkorenen Schwabenmetropole ein Ersatzspielort errichtet werden kann.

 

„Wir gehen von einer Sanierungszeit des Opernhauses von drei bis fünf Jahren aus. Das darf nicht zu einer Beschädigung der großen Marken Oper Stuttgart und Stuttgarter Ballett führen“, betonte Hendriks. Der mehr als 100 Jahre alte Theaterbau im Herzen der Stadt ist auch Bühne für die renommierte Ballettcompagnie von Reid Anderson. Hendriks warnte vor der Gefahr, dass Tänzer nach Paris, London oder New York abwandern könnten.

„Wir brauchen einen hinreichend ausgestatteten Funktionskörper in attraktiver Lage“, betonte der Intendant. Pro Jahr gibt es in dem Musentempel mit seinen 1400 Plätzen rund 160 Opern- und 80 Ballettaufführungen. Hendriks warnte vor Einbußen in Millionenhöhe während der Schließung des Stammhauses, sollte es keinen geeigneten neuen Spielort geben. „Das Publikum geht nicht automatisch an jeden Ort“, sagte er. Das hätten die Staatstheater während der früheren Sanierung des Schauspielhauses bitter erfahren müssen.

Das Gesamtpaket der Generalsanierung ist mit 300 bis 400 Millionen Euro veranschlagt. Die Kosten tragen das Land und die Stadt. Aus Sicht der Theaterschaffenden muss es einen zentrumsnahen Spielort mit attraktivem Umfeld geben. Wegen der milliardenschweren Bauarbeiten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 sind die Möglichkeiten im Stadtkern begrenzt.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) will wie berichtet im Verwaltungsrat drei Varianten diskutieren lassen. Demnach könnte die Ausweichspielstätte an der Stelle eines früheren Postleitzentrums entstehen oder auf einem Areal außerhalb des Zentrums am Mercedes-Benz-Museum oder - in Nähe der bisherigen Oper - im Mittleren Schlossgarten unweit des Planetariums.

Musikfreunde fordern für die baden-württembergische Landeshauptstadt zudem seit langem eine Philharmonie. Kulturkreise halten es daher auch für eine gute Idee, einen „Hybridbau“ in der Art des Großen Festspielhauses der Salzburger Festspiele zu errichten. Denkbar wäre es nach solchen Gedankenspielen, den Bau zunächst als Opernhaus und anschließend als Konzerthalle zu nutzen.

Die Staatstheater und die Stadt hatten bei den Sanierungsplänen im Sommer einen Durchbruch verkündet. Nach langem Ringen hatte der Verwaltungsrat den Neubau eines Kulissengebäudes beschlossen. Zudem wird eine Seitenfassade des denkmalgeschützten Altbaus versetzt - für den Einbau einer Kreuzbühne. Sanierung und Erweiterung der Oper im Schlossgarten sollen nach 2025 abgeschlossen sein. Die Württembergischen Staatstheater gelten als das weltweit größte Dreispartenhaus. Dritte Sparte neben Oper und Ballett ist das Schauspiel in einem eigenen Bau.