Das Rote Kreuz bildet in Ludwigsburg seit April Menschen mit ausländischen Wurzeln als Notfallseelsorger aus. Sie sollen Menschen mit anderer Nationalität und anderem kulturellen Hintergrund in schwierigen Zeiten beistehen – wenn etwa ein Angehöriger bei einem Unfall ums Leben kommt.

Ludwigsburg - Der Unfall ist etwa drei Jahre her. Ein junger Mann verunglückte bei Vaihingen an der Enz mit dem Auto und starb. Der Notfallseelsorger Ulrich Gratz wollte den Eltern die Nachricht überbringen. Doch diese fragten zuvor vor dem Krankenhaus Polizisten aus: Der Vater brach zusammen. „Die Mutter rannte hysterisch über das Gelände“, erinnert sich Gratz. Auch er, ein erfahrener Pfarrer und Leiter der Notfallseelsorge im Kreis, konnte sie nicht beruhigen. Die Situation sei nicht einfach gewesen. Hinzu kam, dass die Eheleute Moslems sind, es gab kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren. Erst ein herbeitelefonierter Imam fand den nötigen Zugang zu den beiden.

 

In Zukunft will sich die Notfallseelsorge im Landkreis besser aufstellen, Menschen mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen zu betreuen. Seit Mitte April bildet der Landesverband des Roten Kreuzes (DRK) in Ludwigsburg 16 interkulturelle Kriseninterventionshelfer aus. Darunter sind Türken, Kurden und Iraner, Iraker, Serben und Somalier, allesamt Moslems. Zurzeit hat die Notfallseelsorge im Kreis 87 Mitarbeiter – alle mit christlichem Hintergrund. „Wir kommen da an Grenzen“, erklärt Ulrich Gratz. Die Idee für das Projekt hatte Gisela Hahn-Flegl. Sie ist eine enge Mitarbeiterin von Gratz, zudem aktiv im Ludwigsburger Dialog der Religionen. Die beiden banden Kooperationspartner in das Projekt ein. Etwa den DRK-Landesverband und das Integrationsministerium des Landes, das knapp 20 000 Euro zuschießt.

Christen trauern anders als Moslems

8000 Euro müssen die Notfallseelsorger noch selbst aufbringen, hier sind sie auf Spenden angewiesen. Der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg, Muhittin Soylu, warb bei Moscheen und Kulturvereinen um Unterstützung. „Es ist eine klassische Notfallseelsorge-Ausbildung mit interkulturellen Elementen“, sagt er. Die Dozenten vermitteln Grundlagen in Psychologie und Kommunikation nebst kulturellem Wissen. „Christen trauern im Stillen, mehr für sich. Bei Moslems ist es normal, dass die ganze Familie und die Freunde kommen“, erklärt Soylo einen Unterschied.

Drei der neuen muslimischen Kriseninterventionshelfer sind der 28-jährige Derran Dogan, die 48-jährige Habiba Jimale und Hikmet Cinar, 45 Jahre alt. Dogan wird Religionslehrer. „Das ist ein tolles Projekt, bei dem ich Erfahrung sammeln kann“, sagt der junge Mann mit kurdischem Hintergrund. „Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, sagt Cinar. Der Industriemeister mit türkischen Wurzeln wurde in Deutschland geboren. Habiba Jimale kam 2002 aus Somalia. Sie erhoffe sich „Gottgefälligkeit“. Vor allem wollen alle drei schlicht „Menschen helfen in besonders schwierigen Situation“. Wenn sie dem Tod begegneten, wie Cinar sagt.

Übung in Rollenspielen

Bis dahin haben sie noch einige Lehrstunden im Kulturzentrum vor sich, wie jetzt am Samstag, wo es unter anderem in Rollenspielen um „Die Begegnung mit dem Tod“ ging. Im Herbst beginnt die praktische Ausbildung, dann begleiten Dogan, Jimale, Cinar und die anderen Teilnehmer erfahrene Notfallseelsorger. Im Frühjahr 2017 ist die Abschlussprüfung. „Wir haben gefestigte, motivierte Menschen für das Projekt gewonnen“, sagt Gratz. „Für die ganze Notfallseelsorge, aber auch mit Blick auf verschiedene Kulturen.“ Laufe das Projekt gut, „dann hoffen wir, es in weitere Kreise tragen zu können“.