Am Weltfrauentag rücken Frauen in den Fokus, werden zelebriert und gewürdigt. Ein Thema, das dabei oft totgeschwiegen wird, ist Gewalt an Frauen. Dabei gehört es für viele Frauen zum Lebensalltag.

Volontäre: Luisa Rombach (lur)

In Deutschland werden stündlich 14 Frauen Opfer von Gewalt durch ihren Partner. Eine erschreckende Zahl, die aufhorchen lässt und verwundert: Warum ist ein Problem, von dem so viele Frauen hierzulande betroffen sind, nur so selten ein Thema in der öffentlichen Debatte?

 

Frauen, die im Rems-Murr-Kreis häusliche Gewalt erleiden, können sich an das Frauen- und Kinderschutzhaus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) wenden. Dort finden bis zu neun Frauen und ihre Kinder eine Unterkunft, zudem es gibt eine Beratungsstelle. Der Standort der Einrichtung ist zum Schutz der Frauen geheim.

Das Frauenhaus besteht bereits seit 1982, gegründet haben es Ehrenamtliche. In den letzten Jahren haben sich die Kapazitäten fast verdoppelt. Inzwischen kümmern sich hier vier Sozialarbeiterinnen und eine Psychologin um die Frauen und Kinder, zusätzlich gibt es eine Hauswirtschaftskraft.

Häusliche Gewalt hat viele Gesichter

Dadurch lasse sich aber nicht automatisch ein Anstieg der Opferzahlen ableiten, betont eine der Mitarbeiterinnen, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben: „Häusliche Gewalt gab es schon immer, wenn nun die Beratungsangebote zunehmen, bedeutet das nicht, dass auch die Gewalt zugenommen hat.“ Vielmehr sei die Aufklärung über bestehende Angebote inzwischen besser, mehr Frauen wüssten, wohin sie sich wenden könnten. Eine Rolle spielt dabei auch das Bewusstsein, dass häusliche Gewalt nicht allein in Form von körperlicher Misshandlungen wie etwa Schlägen auftritt. Gewalt kann auch seelisch, sozial oder finanziell ausgeübt werden. In solchen Fällen beschimpft und beleidigt der Partner die Frau beispielsweise, er isoliert sie und verbietet ihr, Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Oder er macht sie finanziell von sich abhängig.

Viele Frauen bringen große Opfer

Frauen, die es trotzdem schaffen, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen, lassen meist viel zurück, nicht selten ihr ganzes voriges Leben. „Die Frauen geben oft ihre Arbeit und ihr soziales Umfeld auf, das muss dann alles neu aufgebaut werden“, betont eine der Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. Der Mann hingegen könne häufig sein bisheriges Leben weiterleben.

Vor einem Einzug ins Frauenhaus findet meist ein Beratungsgespräch statt. Doch auch ohne die Absicht, einzuziehen, können Frauen um solch ein Gespräch bitten. Wer tatsächlich einzieht, hat ein eigenes Zimmer und teilt sich die übrigen Räumlichkeiten mit den anderen Mitbewohnerinnen. Es gibt ein Spielzimmer für die Kinder, die Sozialarbeiterinnen stehen an Werktagen zur Verfügung. Die meisten Frauen bleiben etwa ein halbes Jahr im Frauenhaus.

Die Wohnungsnot stellt Frauen vor Herausforderungen

Und da liegt eines der zentralen Probleme der Einrichtung: Frauen, die psychisch wieder stark genug sind, um auszuziehen, finden oft keine Wohnung. Die gängigen Probleme wie Inflation und Wohnungsnot verschärfen sich zusätzlich durch die schwierigen Lebensumstände. Hat die Frau Kinder oder ist durch Sozialhilfe an eine Mietobergrenze gebunden, stehen ihre Chancen auf eine eigene Wohnung noch schlechter. „Wir brauchen also nicht mehr Frauenhausplätze, sondern Wohnungen“, betont eine der Sozialarbeiterinnen.

Zur Realität gehört jedoch auch, dass manche Frauen nach kurzer Zeit wieder ausziehen und zu ihrem Partner zurückkehren. „Diese Frauen wissen dann aber immerhin, wohin sie sich wenden können, sollten sie noch einmal Hilfe brauchen“, sagt eine der Mitarbeiterinnen.

Frauen leiden besonders unter dem überlasteten Sozialsystem

Doch es gibt auch strukturelle Probleme, bei denen die Sozialarbeiterinnen machtlos sind. Dringend benötigte Kitaplätze für die Kinder der Frauen sind Mangelware. So haben sie kaum die Chance, sich um sich selbst zu kümmern. Davon abgesehen gibt es für Therapieplätze ebenfalls oft monatelange Wartelisten. Das Sozialsystem ist überlastet, und die Schwächsten der Gesellschaft bekommen das am meisten zu spüren.

„Ich finde es schockierend, dass im Jahr 2024 mit so einem ausgeprägten Bewusstsein für Gleichstellung noch immer so viele Frauen unter häuslicher Gewalt leiden“, resümiert eine der Sozialarbeiterinnen. Ein Ende des gesellschaftlichen Wegsehens wäre sicherlich ein guter erster Schritt in eine sichere Zukunft für Frauen.

Hilfe Wenn Sie von häuslicher Gewalt betroffen sind, kontaktieren Sie das Frauenhaus (Telefon 0 71 91 / 930 86 55). In Notfällen wenden Sie sich an das Hilfetelefon des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (08 000 / 116  016) oder unter 110 an die Polizei.

Internationaler Frauentag

Entstehung
Seit 1921 wird der Internationale Frauentag, auch Weltfrauentag genannt, am 8. März gefeiert. Mit dem Datum soll an die russischen Frauen, die 1917 an diesem Tag im damaligen Petrograd streikten und damit maßgeblich zum Beginn der russischen Revolution beitrugen, erinnert werden.

Bedeutung
Am 8. März finden weltweit Kundgebungen und Demonstrationen statt. Viele der beteiligten Frauen fordern Gleichberechtigung und lenken den Fokus auf weiter bestehende Ungerechtigkeiten.