Investoren haben im Silicon Valley in den vergangenen Jahren die Bewertungen von vielen Technologiefirmen drastisch nach oben getrieben. Kommt nun der Absturz?

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Der Finanzierungsboom für Technologie-Start-ups in den USA hat seinen Zenit überschritten. Während viele Neugründungen im Silicon Valley bisher in jeder Finanzierungsrunde neue Milliardenrekorde brachen, müssen sie nun kräftige Abstriche machen. „Die schwin-delerregende Fahrt für Technologie-Start-ups ist zu Ende“, titelte in dieser Woche die „New York Times“. „Investoren schlagen bei den Bewertungen im Silicon Valley zurück“, schrieb das „Wall Street Journal.“

 

Zuletzt wurde der Instant-Bilderdienst Snapchat von einer massiven Herabstufung getroffen. Der als Finanzinvestor beteiligte Fondsanbieter Fidelity hat den Wert seiner Anteile vom zweiten auf das dritte Quartal um ein Viertel nach unten korrigiert. Kurz zuvor hatten Fidelity und der Finanzinvestor Black Rock den von ihnen veranschlagten Wert ihrer Beteiligungen am Cloud-Dienstleister Dropbox bereits um ein Fünftel herabgestuft. Der Finanzdienstleister Square musste den Erlös für seinen in den kommenden Tagen geplanten Börsengang um mehr als ein Drittel niedriger ansetzen als nach den Maßstäben der letzten Finanzierungsrunde. Drastische Abwertungen haben auch der Amazon-Konkurrent Jet.com, der Dienstleistungsvermittler Thumbtack und die Gebrauchtwagenplattform Beepi erlebt.

Noch ist es kein echter Crash

Noch ist aus dem Ende des Höhenfluges kein genereller Crash geworden. Zunächst sind es nur Wertberichtigungen in den Büchern. Weil diese Entwicklungen abseits der Börse stattfinden, ist bisher nur die exklusive Minderheit von Investoren und Hedgefonds betroffen, die direkt an Technologieunternehmen beteiligt sind. Besonders herausragende Unternehmen wie der Fahrtenvermittler Uber sind zurzeit noch immun. Hier will man weiterhin in einer anstehenden Finanzierungsrunde den veranschlagten Unternehmenswert von 50 Milliarden Dollar bei der letzten Investorenrunde im Sommer auf bis zu 60 bis 70 Milliarden Dollar hochschrauben. Dennoch entweicht im Silicon Valley unverkennbar die Luft aus einer Blase. Noch im Jahr 2010 gab es nur ein Dutzend Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wurden. Heute sind es fast 140 . Der Titel eines „Unicorn“ („Einhorn“) – wie Firmen mit mindestens einer Milliarde Dollar Unternehmenswert im Silicon-Valley-Jargon genannt werden – gilt als so werbewirksam, dass sich immer mehr Unternehmen exakt oberhalb dieser Bewertungsgrenze tummeln. „Ich glaube, dass sich das Silicon Valley und die Finanzinvestoren in einer Welt bewegen, die auf Spekulationen fußt und die so nicht aufrechtzuerhalten ist“, sagt Bill Gurley, der als Großinvestor selbst an Firmen wie Snapchat und Dropbox beteiligt ist.

Bewertungen oft Pi mal Daumen

Die Tücke bei den Bewertungen durch Finanzinvestoren ist nämlich, dass sie im Gegensatz zum Börsenwert nur auf Einschätzungen von wenigen Beteiligten fußen. Sie sind lediglich Hochrechnungen des Betrages, den man bei einem fiktiven Weiterverkauf seiner Anteile erlösen könnte. „Jeder weiß, dass diese Bewertungen mehr eine Kunst als eine Wissenschaft sind“, sagt Mike McNamee vom Investment Company Fund, dem Verband der US-Fondsgesellschaften.

Im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen fehlt ein täglich offen ausgehandelter Marktpreis. Noch stärker als im Börsenhandel gründen sich die Investorenbewertungen auf Zukunftserwartungen – vor allem auf die Hoffnung, dass die jungen Firmen einst in ihrem Segment den Markt so dominieren wie Facebook die sozialen Netzwerke oder Amazon den Online-Handel. Die den Bewertungen zu Grunde liegenden Bilanzregeln werden oft sehr freihändig interpretiert. Junge Firmen entgehen mühsamen Transparenzpflichten wie einer detaillierten Quartalsberichterstattung. Beim Einstieg von Finanzinvestoren können sie auch davon ausgehen, dass diese einen längeren Atem haben, bevor sie Kasse machen wollen. Viele von Finanzinvestoren mit schwindelerregenden Milliardenbeträgen veranschlagte Unternehmen weisen noch keine nachhaltigen Gewinne aus. Das gilt selbst für Uber.

Doch die Immunität vieler Firmen vor Wertabschlägen ist dann vorbei, wenn sich nicht mehr nur private Investoren, sondern Fondsgesellschaften direkt an ihnen beteiligen. Anders als diskrete, private Miteigentümer sind diese öffentlichen Fonds rechtlich gezwungen, den Wert ihrer Beteiligungen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und eventuelle Wertberichtigungen öffentlich zu machen.