Emma Roberts spielt wieder eine Kino-Hauptrolle. An der Seite von Dave Franco ist sie in einer Art Neo-Noir-Thriller zu sehen. Es geht um die Abgründe des Internet.

 

Mit dem erfolgreichen Schauspieler Eric Roberts („Runaway Train“) als Vater und der noch sehr viel berühmteren Julia Roberts („Pretty Woman“) als Tante ist es kein Wunder, dass auch Emma Roberts ihren Weg vor der Kamera fand. Als Neunjährige gab sie mit dem Film „Blow“ ihr Leinwanddebüt, später feierte sie Erfolge mit der Fernsehserie „Unfabulous“, brachte eine CD mit Teenie-Popsongs heraus und war später in Filmen wie „Valentinstag“, „Scream 4“ oder „Wir sind die Millers“ zu sehen.

Frau Roberts, in Ihrem neuen Film „Nerve“ geht es um Nervenkitzel. Sind Sie jemand, der gerne Risiken eingeht?
Früher war ich ein echter Angsthase, da war bei mir nicht viel los mit Risiken. Aber je älter ich werde, desto freier fühle ich mich und bin bereit, mehr und mehr Wagnisse einzugehen. Die Arbeit an diesem Film ist das beste Beispiel. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mich jedenfalls sicherlich nicht morgens um 4 hinten auf ein Motorrad gesetzt um die Madison Avenue in Manhattan entlang zu rasen.
Sagen Sie bloß das war keine Trickaufnahme!
Nein, das haben mein Filmpartner Dave Franco und ich tatsächlich gemacht. Natürlich sind wir nicht so schnell gefahren wie es im Film aussieht. Aber trotzdem war die Sache nicht ohne. Früher wäre es mir nicht im Traum eingefallen so etwas zu tun. Und ich wäre auch nicht mehrere Meter über dem Boden über eine Leiter geklettert, unabhängig davon ob ich an Drahtseilen hänge oder nicht. Heute merke ich allerdings, wie gut es mir mitunter tut, aus meiner so genannten Komfortzone auszubrechen. Die Routine hinter sich zu lassen und Neues auszuprobieren verleiht einem doch immer neuen Schwung.
Haben Sie im Vorfeld immer schon die Konsequenzen im Blick? Oder machen Sie sich darüber erst später Gedanken?
Wenn dann stürze ich mich eigentlich Kopf über in eine Sache und kümmere mich später um die Folgen. Das ist mir lieber als wenn ich am Ende vor lauter Sorgen irgendetwas gar nicht tue. Denn letztlich bereut man doch eher die Dinge, die man nicht gemacht hat, als die, die man gemacht hat.
Klingt alles in allem, als seien Sie eine mutige Person . . .
Finden Sie? Keine Ahnung ob ich mich selbst so bezeichnen würde. Das hängt wahrscheinlich von meiner Tagesverfassung ab (lacht). Aber natürlich ist es auch immer die Frage, wie man Mut überhaupt definiert, oder? Fallschirmspringen und Bungee-Jumping sind zum Beispiel nicht so unbedingt mein Ding. Allerdings bin ich ohne Frage mutig wenn es darum geht, meine Meinung zu sagen oder für Menschen einzustehen, die mir etwas bedeuten.
In letzter Zeit haben Sie auch Mut bewiesen in der Auswahl Ihrer Rollen. Muss man das, um das Image des Kinderstars hinter sich zu lassen und als erwachsene Schauspielerin ernst genommen zu werden?
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich auf Teufel komm raus etwas hinter mir lassen muss. Dass ich als Mädchen die Hauptrolle in der Jugendserie „Unfabulous“ und Filmen wie „Aquamarin“ spielen durfte, habe ich immer als Geschenk empfunden. Warum sollte ich mich davon distanzieren? Überhaupt bin ich einfach dankbar für meine Karriere, die inzwischen schon 16 Jahre andauert. Dabei habe ich einfach immer gedreht, was ich gerade interessant fand: große Filme und kleine Filme, Kino und Fernsehen. Ich suche einfach immer nach Abwechslung und Herausforderungen, so wie zuletzt etwa die Serie „Scream Queens“ von Ryan Murphy.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie schon mit neun Jahren mit der Schauspielerei begannen? Kamen Sie durch Ihren Vater Eric Roberts und Ihre berühmte Tante Julia auf den Geschmack?
Tatsächlich habe ich meine Tante öfter bei Dreharbeiten besucht und habe das immer geliebt. Ich fand es so spannend mitzuerleben wie Filme entstehen, dass ich abends immer gar nicht mehr nach Hause wollte. Dieses Wissen darum, wie viele hunderte Stunden und Menschen es braucht, damit sich am Ende die Leute zwei Stunden lang im Kino amüsieren können, habe ich schon als Kind als etwas sehr besonderes erlebt. Je öfter ich Julia bei der Arbeit und dann später auf der Leinwand sah, desto sicherer war ich mir, dass ich das auch machen will.
Das war also eher ein schleichender Prozess als ein Erweckungserlebnis?
So könnte man das sagen. Der Traum von der Schauspielerei wuchs langsam in mir heran, und irgendwann erlaubte mir meine Mutter endlich mal, dass ich selbst zum Vorsprechen gehe. Sie meinte, ich dürfe es einmal ausprobieren, aber danach sei auch wieder Schluss, und dachte wohl, die Sache würde sich schnell von selbst erledigen. Aber dann habe ich gleich beim ersten Casting die Rolle bekommen, in dem Film „Blow“ mit Johnny Depp. Nach diesem Erfolgserlebnis konnte sie mir schlecht verbieten, es anschließend noch einmal zu versuchen. Von Mal zu Mal war ich begeisterter, selbst wenn es natürlich auch ein paar Misserfolge gab. Aber das Feuer in mir ist nie wieder erloschen. Auch heute noch gibt es für mich nichts besseres als den ersten Tag am Set, nachdem ich ein paar Wochen zuhause war.
Glauben Sie, dass dieses Feuer auch entfacht worden wäre, wenn Sie nicht diesen familiären Bezug zur Branche gehabt hätten?
Puh, das kann ich ehrlich gesagt nicht beantworten. Ich könnte mir schon vorstellen, dass ich früher oder später auch so auf den Trichter gekommen wäre. Aber mir fehlt einfach der Vergleich. Ich kenne es einfach nicht anders als schon als Kind an Filmsets herumzuhängen.
„Nerve“ handelt auch vom Internet und sozialen Netzwerken und den Gefahren, die dort durchaus für junge Menschen schlummern. Haben Sie damit eigene Erfahrungen gesammelt?
Ich bin schon alt genug um noch auf der High School gewesen zu sein, bevor es Twitter, Instagram und Co. gab. Zum Glück, denn ich hätte es schwer gefunden, nicht nur diesen normalen Druck auszuhalten, den man als Teenager von seinen Freunden und Klassenkameraden erlebt, sondern permanent fremden Meinungen im Internet ausgesetzt zu sein. Ich sehe bei meiner kleinen Schwester, wie problematisch das heutzutage sein kann.
Wie alt ist die?
Die ist 15 Jahre alt, und es kommt immer mal wieder vor, dass Leute auf Twitter oder Instagram etwas schreiben, was sie verletzt. Ich selbst habe da längst eine dicke Haut entwickelt, aber als Teenager ist das eben wirklich etwas anderes. Deswegen finde ich „Nerve“ jenseits der tollen Unterhaltung, die der Film bietet, auch so wichtig. Denn wir zeigen, wie sehr die Menschen die Anonymität des Internets ausnutzen und dort mit anderen auf eine Art und Weise umgehen, wie sie sich es im alltäglichen Miteinander nie trauen würden. Vielleicht trägt er ja zumindest ein bisschen dazu bei, dass der eine oder die andere darüber nachdenkt und etwas ändert. Ich persönlich würde es jedenfalls sehr begrüßen, wenn das Internet zu einem freundlicheren und sichereren Ort würde als das aktuell der Fall ist.

Das Gespräch führte Jonathan Fink.