Der FWV-Fraktionschef Wilfried Dölker bekennt sich im LKZ-Interview zu den vier Klinikstandorten, sieht kaum noch Chancen für die Hermann-Hesse-Bahn und betrachtet das Windkraftengagement des Kreises am Frauenkreuz von Beginn an skeptisch.

Kreis Böblingen – Wilfried Dölker ist ein Urgestein der Kreispolitik, ein wichtiger Strippenzieher und Bürgermeister von Holzgerlingen. Er spricht sich gegen einen Nottarif im Klinikverbund aus, beurteilt die Arbeit von Landrat Roland Bernhard positiv und will die Kreisumlage unter dem Wert von 40 Prozent halten. Bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr will er wieder antreten.
Ist es manchmal schwierig, eine Fraktion mit so vielen Persönlichkeiten und Bürgermeistern wie die FWV zu führen?
Wir haben bei wichtigen Themen immer zusammen klare Aussagen getroffen. Wir haben Mitglieder mit großer Sachkenntnis, die bereichern uns eher.

Mit welchen Themen wollen Sie in die Kommunalwahl 2014 ziehen?
Wir haben immer wichtige Projekte vorangebracht und einen Konsens über die Fraktionen gesucht. Das werden wir fortsetzen.

Wie beurteilen Sie die Arbeit des Landrates?
Er ist sehr engagiert, bringt sich ein, hat jetzt viele Baustellen, wo er sich stark einsetzen muss, das ist keine leichte Aufgabe. Er geht diese mit dem Kreistag gemeinsam an, das schafft Vertrauen. Wir arbeiten gut mit Herrn Bernhard zusammen.

Sind Sie Spitzenkandidat im Wahlkampf?
Bei uns gibt es in jedem Wahlkreis einen Spitzenkandidaten. Auch ich werde wieder kandidieren. Wer dann Fraktionschef wird, bestimmt die neue Fraktion.

Was kann denn der Kreis machen, um die Defizite in den Kliniken zu bekämpfen?
Wir werden uns sicher fragen müssen, ob wir Leistungen kompakter anbieten können. Der Grundfehler liegt in der fehlenden Finanzierung durch die Krankenkassen. Das scheint in der Öffentlichkeit oft eine abgedroschene Forderung sein. Aber Fakt ist, dass die Kassen die Leistungen entsprechend vergüten müssten, und das passiert nicht. Die Personalkosten steigen schneller als die Erstattungen.

Aber diese Forderung gibt es seit Jahren, das ist doch unrealistisch. Was tun Sie, wenn aus Berlin kein Geld kommt?
Es ist völlig falsch zu sagen: ein paar Krankenhäuser vom Markt nehmen, dann ist das Problem gelöst. Aber wir werden uns darüber in den nächsten Monaten intensiv unterhalten. Das wird sicher nicht völlig schmerzfrei gehen.

Die vier Standorte bleiben bestehen?
Wir haben im Kreis eine unterdurchschnittliche Zahl an Betten. Wir brauchen eine wohnortnahe Grundversorgung. Ich habe es immer in Frage gestellt, dass alle Häuser nur auf Leistungswachstum gesetzt haben in der Hoffnung, dass noch mehr Patienten kommen. Damit kannibalisieren wir uns aber selbst. Zu den Standorten stehen wir, es muss ein stimmiges medizinisches Konzept für den gesamten Verbund entwickelt werden.

Wo sollen medizinische Schwerpunkte gebildet werden? Was bleibt für die Häuser in Leonberg und Herrenberg?
Der Hauptschwerpunkt im Kreis wird das Klinikum Böblingen-Sindelfingen, die anderen müssen wir eher als Krankenhäuser mit Grundversorgung sehen, die Fachabteilungen aber weiterentwickeln können.

Es wird über Einsparungen beim Personal verhandelt, auch ein Nottarif steht im Raum. Kann man da noch sparen, oder wandert dann das Fachpersonal ab?
Es gibt für den Kreis Böblingen keinerlei Beschlüsse im Aufsichtsrat zu einem Nottarif, nur für Calw. Ich halte das auch für fragwürdig. Wir stehen in der Konkurrenz zu Stuttgart und Tübingen, wir brauchen kompetentes und motiviertes Personal.

Kann man eine Pflegestation pro Klinik schließen, wenn das Personal überlastet ist?
Das ist teilweise notwendig. Der Kreis kann unmöglich auf Dauer jährlich 15 Millionen Euro zuschießen, sonst steigt die Kreisumlage unerträglich. Deswegen müssen wir sparen und Kosten minimieren. Fakt ist, dass wir in den vergangenen Jahren Pflegepersonal aufgebaut haben und dass die Fallzahlen je Vollzeitkraft auch eher wieder gesunken sind.

Ist eine gemeinsame Stadt Böblingen-Sindelfingen für den Landkreis erstrebenswert? Angesichts der aktuellen Streitereien scheint es eher weit weg zu sein . . .
Für den Kreis Böblingen ist das kein vorrangiges Ziel, weil sonst wie in Reutlingen eine Diskussion um eine „Auskreisung“ stattfinden würde, also die Gesamtstadt als kreisfreie Stadt. Man muss bei Themen wie dem Autobahndeckel schnell zu einer Lösung kommen und sich nicht an Zuständigkeiten aufhalten. Der Landkreis finanziert den Deckel mit, obwohl es nicht unsere Aufgabe ist. Die betroffenen Städte sollten die Realisierung im Blick behalten.

Der Kreis muss zurzeit viel finanzieren. Krankenhäuser, Schönbuchbahn, Autobahndeckel. Sollen Kredite aufgenommen werden, oder soll die Kreisumlage steigen?
Die Kreisumlage ist auf einem hohen Niveau. Eigentlich müsste das jetzt mal genug sein. Es geht nicht zusammen, kräftig zu investieren und gleichzeitig Schulden abzubauen. Wenn viel gebaut wird, ist es zulässig, das auch durch Kredite zu finanzieren. Der Kreis hat seine Verschuldung um rund 30 Millionen Euro abgebaut, und das vor allem durch die Kreisumlage, also durch die Abgabe der Städte und Gemeinden. Das müssen die Bürger durch ihre Grund- und Gewerbesteuer finanzieren.

Aber Sie können doch die Umlage nicht senken, wenn so viel investiert wird . . .
Ich habe nicht von senken gesprochen, sondern von stabilisieren. Die 40-Prozent-Marke darf nicht überschritten werden, das kann es nicht sein. Das wäre aber der Fall, wenn allein durch die Krankenhäuser drei Prozent draufgeschlagen würden. Und bei den Vereinen Kleinbeträge von 300 Euro einzusparen, bringt nichts.

Wie soll es denn bei dem Streit mit Tübingen zur Schönbuchbahn weitergehen?
Erfolgskonzepte verursachen manchmal Probleme. Wer hätte beim Start mit 8000 Fahrgästen am Tag gerechnet? Wir dürfen den Erfolg nicht abbremsen. Die nächste Stufe ist die Elektrifizierung und mindestens bis Holzgerlingen einen 15-Minuten-Takt zu realisieren. Für die Strecke ist es zwingend geboten, dass das Land eine Zusage zur Förderung macht. Mit dem Kreis Tübingen wird es dann eine Lösung geben.

Gibt es noch eine Chance für die Hermann-Hesse-Bahn von Weil der Stadt nach Calw, oder für die S-Bahnverlängerung von Herrenberg nach Nagold?
Die Hermann-Hesse-Bahn ist der Wunschtraum, das Land gut zu vernetzen. Aber der wirtschaftliche Nutzen ist für die FWV immer in Frage gestanden. Der Kreis Calw hat uns leider noch nicht die aktuellen Werte des Kosten-Nutzen-Gutachtens herausgegeben. Und den Vorteil hat eher der Kreis Calw. Die Verlängerung bei Herrenberg ist noch mehr im Traumland.

Hat sich Wolf Eisenmann bei den Windanlagen am Frauenkreuz verspekuliert?
Ich habe im Kreistag von Anfang an große Zweifel an dem Standort auf der Deponie geäußert. Und ich habe recht früh auf die Flugsicherung hingewiesen. Ich glaube, dass der Wunsch, etwas Gutes zu tun, zu sehr Vater des Gedankens war.