Der Gourmetkoch Armin Karrer spricht im StZ-Interview über Probleme in seinem Restaurant Avui und in der Sternegastronomie allgemein. Die Genussfähigkeit sei zwar besser geworden, doch viele Unternehmen trauten sich nicht mehr, ins Sternerestaurant einzuladen.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)
Stuttgart – Seit Geschäftsleute ihre Essen nicht mehr ganz so leicht absetzen können, brechen der gehobenen Gastronomie die Gäste weg, hat Sternekoch Armin Karrer festgestellt. Sein Avui in Fellbach hat er überraschend bis Anfang März geschlossen, um Konzept und Küche umzustrukturieren. Im StZ-Interview erklärt er die Gründe seiner Kreativpause.
Herr Karrer, Sie haben Ihr Sternerestaurant Avui bis Anfang März geschlossen, um die Küche neu zu strukturieren. Wieso das?
In Sachen Auslastung war ich nicht ganz zufrieden.

Wieso lief es denn so schlecht?
Wir hatten acht Monate lang eine Baustelle vor der Haustüre. Die Fellbacher Innenstadt wurde komplett aufgerissen, da hatten wir zum Teil 50 Prozent weniger Gäste.

Muss man sich Sorgen um die Zukunft des Avui machen?
Nein, das zweite Halbjahr 2012 lief besser. Insgesamt musste ich aber ein verändertes Ausgehverhalten der Gäste feststellen.

Inwiefern?
Ich habe viele Gäste, vor allem aus dem Bereich Wirtschaft, die nicht immer drei Stunden mit dem Geschäftspartner essen wollen, sondern weniger, kürzer und gezielter, am liebsten à la carte.

Das ging im Avui bisher nicht. Wieso hatte man nicht von Anfang an neben den Menüs auch ein À-la-carte-Angebot?
Im Grunde war die Konzentration auf Menüs eine Notentscheidung wegen unserer beengten Küche. Die Pause nutzen wir jetzt, um umzubauen, damit wir in Zukunft flexibler sind.

Die Pause bis Anfang März haben Sie sehr kurzfristig verkündet. Haben Sie keine Angst, dass das einen Imageschaden mit sich bringt?
Das glaube ich nicht, wir strukturieren ja auf Kundenwunsch um, nur stark vorgezogen. Die Umstrukturierung hatten wir ursprünglich für Sommer 2013 geplant.

Wie sieht Ihr Tagesablauf derzeit aus? Ist Ihnen jetzt langweilig?
Im Gegenteil. Ich habe viele Cateringveranstaltungen, berate Investoren und auch Gastronomen deutschlandweit bei neuen Objekten, und dann habe ich auch noch meine Kochschule. Außerdem beobachte ich den Markt von oben nach unten. Ich habe mit vielen Kollegen in Nord- und Süddeutschland gesprochen. Die Situation ist angespannt, teilweise haben die Kollegen in ihren Gourmet-Restaurants gerade mal sechs bis acht Gäste am Abend. Das kann nicht sein. Sterne sollten ein Garant dafür sein, dass der Laden jeden Abend voll ist. Heinz Beck (einer der besten deutschen Köche im Ausland, die Red.) hat mir dagegen erzählt, dass sein Restaurant in London immer voll ist – mittags und abends.

Woran liegt das?
Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland die Prioritäten in Sachen Essen eben anders setzen.

Finden Sie? Ohne pauschal urteilen zu wollen, scheint der Deutsche doch genussfreudiger als früher.
Das stimmt. Die Genussfähigkeit ist besser geworden. Die Leute kochen und essen aber mittlerweile auch sehr viel mehr im privaten Bereich.

Wäre es eine Option für Sie, den Stern abzugeben? In Stuttgart hat das ja Benjamin Breitenbach so gemacht.
Meinen Stern abzugeben kommt für mich nicht infrage. Es ist mit Sicherheit nicht immer einfach, aber gehört ein gewisser Druck nicht zum Erfolg?

Ist der Stern aber nicht mehr Belastung als Auszeichnung? Man steht stärker unter Beobachtung, das Publikum wechselt.
Das ist alles eine Frage der Betrachtung. Die Energie folgt dem Prinzip der Aufmerksamkeit. Das andere stimmt.

Welche Veränderungen haben Sie darüber hinaus bei Ihren Gästen feststellen müssen?
Die Thematik Compliance (Anm. d. Red: siehe unten) bereitet uns Schwierigkeiten. Das hat eklatante Auswirkungen auf die Gourmet-Gastronomie. Nicht umsonst haben einige Sternerestaurants im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden müssen. Und das war nicht das Ende: Es wird definitiv ein großes Sternesterben geben.

Wie strukturieren Sie Ihre Küche jetzt um, damit das Avui wieder erfolgreich wird?
Ich bin derzeit brutal am Tüfteln. Unser kreatives Menü werden wir beibehalten.

Wollen Sie mit den Neuerungen auch auf die schlechte Kritik im „Gault-Millau“ reagieren?
Die Kritik war verheerend und ging unter die Gürtellinie. Ich bin nicht Unternehmer geworden, um mir vorschreiben zu lassen, wie ich kochen soll. Der Veränderungswunsch kommt einzig alleine von einem Mann – und der heißt Armin Karrer. Ich sehe das Ganze aber auch sportlich. Da ich selber Fußballspieler bin, weiß ich, dass es ohne Gegentore nicht funktioniert. Nur muss man keinen schlechtmachen, um selber gut dazustehen. Das ist aber Charaktersache. Ich werde alles tun, um nicht mehr in diesem Führer erwähnt zu werden.

Wenn die Küche umstrukturiert ist, gibt es dann den zweiten Stern für das Avui?
Die Zufriedenheit unserer Gäste steht für uns an erster Stelle. Der zweite Stern oder die Frage, wie uns die Tester finden, spielt daher eine untergeordnete Rolle.