Am Sonntag starten die Männer in Sölden mit dem Riesenslalom in die Weltcupsaison. Auch Olympiasieger Benjamin Raich ist dabei. Der Haudegen alpiner Skikunst fühlt sich fitter denn je, könnte aber nach der Olympiasaison seine Karriere beenden.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart – - Am Sonntag starten die Männer in Sölden mit dem Riesenslalom in die Weltcupsaison. Auch Benjamin Raich ist dabei. Der 35 Jahre alte Haudegen alpiner Skikunst fühlt sich fitter denn je, könnte aber nach der Olympiasaison seine Karriere beenden. „Ich schließe nicht aus, dass es so kommt“, sagt der Olympiasieger und Weltmeister aus Österreich.

 
Herr Raich, wie lief die Vorbereitung für Sie?
Es war eigentlich ganz gut. Allerdings habe ich auch noch eine Verletzung gehabt. Es war ein Muskelriss im Oberschenkel. Das war natürlich nicht so optimal, keine Frage.
Und nun geht es besser?
Ich bin tatsächlich wieder frisch und schon ein paar Tage Ski gefahren. Ich fühle mich wohl und freue mich auf den Start in Sölden. Wie meine Ziele am Anfang aussehen, das kann ich Ihnen aber noch nicht genau sagen.
Wäre es nicht besser, auf den strapaziösen Riesenslalom auf dem Rettenbachgletscher vorsichtshalber noch zu verzichten?
Nein. Natürlich ist es in Sölden anstrengend, aber bin ja wieder vollkommen hergestellt. Es gibt keinen Grund, nicht dabei zu sein.
Sie sind nun auch schon 35 Jahre alt. Ist der bevorstehende Olympiawinter Ihre letzte Saison?
Alles ist möglich. Aber ich bin keiner, der Dinge zu genau plant. Irgendwann werde ich spüren: jetzt ist es genug. Und dann werde ich es auch sein lassen. Zunächst einmal werde ich aber Ski fahren und mich nicht ums mögliche Aufhören kümmern. Alles zu seiner Zeit.
Wäre eine Medaille in Sotschi nicht ein schöner Abschluss?
Ich schließe nicht aus, dass es so kommt. Wenn ich mir sage, dieser Erfolg ist alles, was ich noch erreichen wollte, dann ist es auch gut mit der Karriere. Man muss die Dinge aber auch passieren lassen. Zunächst musst du so eine Medaille überhaupt gewinnen – erst danach kannst du dir die Frage stellen, was du noch spürst und fühlst. Ich weiß es noch nicht.
Ist der Reisestress nicht ermüdend?
Es ist nicht immer schön, am Flughafen herumzuhängen. Den ganzen Winter aus dem Koffer zu leben ist auch nicht lustig. Aber es überwiegt die Freude am Skifahren, an den Rennen, am Vergleichen – immer noch. Man ist ja auch mit Zielen unterwegs. Herausforderungen anzunehmen, Niederlagen zu erleben, Erfolge zu feiern – das alles ist spannend und macht mir richtig Spaß.
Fällt das Training im fortgeschrittenen Rennfahreralter nicht manchmal schwer?
Es ist wichtig, dass man im Alter immer andere Prioritäten setzt. Ich bringe viel Abwechslung in mein Training und habe im Frühjahr auch oft und lange Pause gemacht. Danach ist man wieder frischer und will auch wieder. Man kann nicht immer tack, tack, tack weitermachen im Frühling. Konditionstraining, Krafttraining, Skifahren – und alles wieder von vorn. Das merkt man irgendwann. So wie ich jetzt trainiere, fühle ich mich wohl und körperlich sogar besser als mit 20.
Ihre Freundin Marlies Schild fährt ja auch noch im Weltcup mit. Könnte es sein, dass Sie beide gemeinsam aufhören?
Das könnte so sein, muss aber nicht. Wenn es sich trifft, okay. Wenn nicht, dann nicht.
Schauen Sie beruflich auch schon auf die Zeit nach dem Skifahren, oder ist das noch zu weit weg?
Es werden sich wohl ein paar Möglichkeiten auftun. Ich habe eine Rennschule, in der ich zurzeit nicht aktiv bin, zumindest wäre das ein Standbein. Oder ich kümmere mich um ein paar Immobiliengeschichten. Wir haben aber auch einen Bauernhof daheim im Pitztal, womöglich mache ich da auch ein bisserl was. Auch Sponsoren oder Ausrüster könnten sich vorstellen, später vielleicht mit mir zusammenzuarbeiten. Sie sehen, es gibt viele Möglichkeiten, die interessant sind. Wofür ich mich auch entscheide: wichtig ist, dass man sich auf das konzentriert, was man macht. Man kann nicht auf verschiedenen Ebenen dabei sein.
Zunächst stehen aber noch die Winterspiele in Sotschi auf dem Programm – und in der Kritik. Bauarbeiter werden ausgebeutet, vieles klappt nicht, und in Russland werden Homosexuelle diskriminiert. Die Regierung des Staatspräsidenten Wladimir Putin hat ein Gesetz erlassen, das positive Äußerungen über Homosexualität im Beisein Minderjähriger, angebliche „Schwulen-Propaganda“, hart bestraft. Was ist denn Ihre Meinung zu den Spielen in Sotschi?
In Turin haben ja auch schon alle gesagt, da ist alles nur halb fertig und dreckig. Ich sehe die ganze Debatte um Sotschi ein bisschen als Vorteil für mich, denn ich versuche sie auszublenden. Ich sehe den Sport als Erstes, und als Sportler fahre ich dort ja auch hin. Natürlich sind mir die kritischen Punkte nicht entgangen, und vieles, was in Russland abläuft, kann man absolut nicht gutheißen. Es ist in der heutigen Zeit schon sehr tragisch, wenn es solche Gesetze gibt, wie dieses eine in Russland. Und jetzt machen wir dort unseren Sport – das ist schon etwas eigenartig.
Könnten Sie als Sportler etwas dagegen tun?
Putin wird es ziemlich egal sein, ob in Sotschi der Raich am Start ist oder nicht. Es werden auch genug Journalisten dort sein. Die ganze olympische Familie müsste sagen: Das verurteilen wir, und wir fahren da nicht hin, wenn sie das Gesetz nicht ändern. Das könnte vielleicht etwas bewirken. Aber man muss auch sehen: Olympia ist nicht politisch, und der Sportler an sich ist auch nicht unbedingt politisch. Es gibt viele Sachen, die mir nicht passen – und trotzdem fahre ich meine Rennen in gewissen Gebieten und Ländern.
Wird der Sport nicht auch extra dazu benutzt, auf politische Missstände aufmerksam zu machen?
Es ist gut, auf solche Dinge hinzuweisen. Aber es ist falsch, wenn man von einem Sportler verlangt, deshalb in einem Land nicht zu fahren. Wenn ein Athlet von selbst aus konsequent ist und den Spielen fernbleibt, dann ist das absolut zu respektieren. Doch ob es aus sportlicher Sicht das Richtige ist und am Ende auch viel bewirkt, das ist eine andere Frage.