Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, kritisiert den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Im großen StZ-Interview wirft er außerdem dem DGB-Chef Michael Sommer vor, die Gewerkschaften zur fünften Kolonne der SPD zu machen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Stuttgart –Der Stuttgarter Bernd Riexinger, der mit Katja Kipping seit fast elf Monaten die Linkspartei anführt, hält den Linkskurs der Sozialdemokraten für unglaubwürdig. Zudem vermisst er den Rückhalt der Gewerkschaften und greift DGB-Chef Michael Sommer scharf an.
Herr Riexinger, ist der Popularitätsabstieg von Peer Steinbrück ein Anlass zur Schadenfreude für Sie?
Nein, keinesfalls. Aber dass Steinbrück der falsche Kandidat ist, bestätigt sich immer mehr. Die SPD will mit ihrem Kandidaten in der Mitte Stimmen holen. Doch hat sie Steinbrück ein Programm verpasst, das nicht zu ihm passt und wo er in vielen Punkten in Konkurrenz zur Linkspartei steht. Das wirkt nicht authentisch.

Die verbalen Fehltritte sind gar nicht so ausschlaggebend?
Dass er oft diplomatisch ungeschickt agiert, wird von den Medien verstärkt. Ich glaube aber, dass die Leute ein Gespür dafür haben, wer tatsächlich auf ihrer Seite steht. Die SPD hat in Augsburg eine Riesenshow inszeniert. Ich kann aber keinen Linksruck erkennen. Die SPD hat weder programmatisch noch machtpolitisch eine glaubwürdige Alternative zu Merkel zu bieten. So wird Steinbrück nicht Kanzler, jedenfalls nicht mit unseren Stimmen. Die SPD formuliert keine Alternative zu Merkels zerstörerischem Euro-Kurs, sie rüttelt nicht an der Rente ab 67, sie will das Rentenniveau nicht gesetzlich bei 53 Prozent garantieren, sie will dem Hartz-IV-System nicht mal die schlimmsten Giftzähne ziehen, sie will keine höheren Steuern für Millionäre – ohne all das ginge mit uns gar nichts. Es wären elementare Voraussetzungen, damit jemand für uns wählbar würde. Eine Rede macht noch keinen Wechsel.

Warum werden seine Stärken nicht mehr wahrgenommen?
Es ist offensichtlich, dass der Wahlkampf der SPD unter dem Begriff soziale Gerechtigkeit läuft. Wenn man aber die Vergangenheit von Steinbrück anschaut, dann hat er nicht zu den Kräften gehört, wo soziale Politik oder Umverteilung oder die Bankenregulierung im Vordergrund stand – er war immer eher ein Mann der Wirtschaft, im Kern auch der Banken. Er ist mit Vorträgen vor Bankern Millionär geworden und will jetzt mit Volksreden Bundeskanzler werden. Das geht nicht zusammen. Ausgerechnet er soll nun die Banken an die Kette legen oder Mindestlöhne einführen oder am Rentensystem etwas ändern, obwohl er die ganzen Missstände mit verursacht hat.

Glauben Sie, dass die SPD es bereut, Steinbrück statt Gabriel oder Steinmeier aufgestellt zu haben?
Ich vermute schon. Bisher hat ihnen ihr Kandidat nicht sehr viel genützt, sondern eher geschadet.