Exklusiv Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney wehrt sich gegen Kritik an ihrem Haus. Angesichts des Fachkräftebedarfs sei die Eingliederung von Ausländern unabdingbar.

Frau Öney, im vergangen Jahr sind über 50 000 Zuwanderer nach Baden-Württemberg gekommen. Ist diese Entwicklung für Sie überraschend?
Die Situation war abzusehen. Beim Zuwanderungsplus wird ein deutlicher Zusammenhang mit der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit gesehen. Jeder EU-Bürger kann grundsätzlich in einem Mitgliedstaat seiner Wahl wohnen und arbeiten. Für acht osteuropäische Staaten ist der deutsche Arbeitsmarkt schon seit Mai 2011 vollständig geöffnet, ab dem 1. Januar 2014 auch für Rumänien und Bulgarien. Zudem werben wir ja auch teilweise um Fachkräfte in den Mitgliedstaaten der EU. Hinzu kommt die schwierige wirtschaftliche Lage in einigen EU-Mitgliedstaaten.
Was bedeutet der Anstieg an Zuwanderern für die Arbeit Ihres Ministeriums?
Sämtliche Studien und Zahlen deuten darauf hin, dass das Thema Integration eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben bleibt. Vor diesem Hintergrund halte ich Diskussionen über Sinn und Zweck von Integrationsministerien - gleich welcher Art - für politisch unverantwortbar. Da wir in Deutschland aufgrund der EU-Binnenwanderung stärker von Zuwanderung betroffen sind, sollte die Bundesregierung hier mehr tun und auch bei der EU einen Anspruch auf höhere Fördermittel geltend machen.
Wie können Sie die neu ins Land gekommenen Migranten integrieren?
Wir haben im August eine neue Verwaltungsvorschrift zur Förderung der kommunalen Integrationsarbeit erlassen und die Mittel deutlich aufgestockt, um die Kommunen besser zu fördern. Was die Integration der Zuwanderer angeht, so gestaltet sich das ganz unterschiedlich. Deshalb geht es um differenzierte und bedarfsgerechte Integrationsangebote. EU-Staatsangehörige haben zwar keinen Anspruch auf die Teilnahme an dem 600stündigen Integrationskurs, sie werden aber immer zugelassen. Sind Deutschkenntnisse entsprechend dem Niveau des Integrationskurses schon vorhanden, bieten wir in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Volkshochschulen und dem Europäischen Integrationsfonds die Möglichkeit, ein höherwertiges Sprachzertifikat zu erlangen. Dieses Angebot gibt es bereits an 20 Standorten im Land und wird zu einem landesweit flächendeckenden Angebot ausgebaut.
Gibt es in den einzelnen Regionen im Land unterschiedliche Anforderungen und Probleme ?
Mehrere Städte in Baden-Württemberg, insbesondere Mannheim, sehen sich seit einiger Zeit mit einer anhaltenden Armutszuwanderung aus Südosteuropa, vor allem aus Bulgarien und Rumänien, konfrontiert. Die Menschen gehören sozialen und ethnischen Gruppen an, die in ihrer Heimat unter erheblichen Nachteilen leiden und auch hier in einer schwierigen Situation sind. Das Ministerium für Integration unterstützt die betroffenen Kommunen bei ihrer Integrationsarbeit: Speziell für die Informations- und Anlaufstellen für Zuwanderer aus Südosteuropa in Mannheim und Freiburg sind im Haushalt 2013/2014 100 000 Euro pro Jahr vorgesehen.
Welche Auswirkungen hat der wohl höhere Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund für Schulen und Kindergärten?
Unsere Schulen meistern seit langem die Herausforderung, Kinder und Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ländern ins Schulleben zu integrieren. Besonders hervorzuheben sind hier das Engagement der Lehrer und die Vorbereitungsklassen. Deren Ziel ist es, dass die Schüler die deutsche Sprache sowie Lernmethoden und schulische Arbeitsweisen lernen. Sprache ist dabei der Schlüssel zur Bildung. Deswegen hat die grün-rote Landesregierung auch viel Geld für ein neues Sprachförderkonzept für die Kindergärten in die Hand genommen. Seit dem Kindergartenjahr 2012/2013 können landesweit alle sprachförderbedürftigen Kinder ab dem ersten Kindergartenjahr bis zum Schuleintritt zusätzlich gefördert werden.