Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Ist VW-Chef Winterkorn mit seinem 17-Millionen-Euro-Gehalt in dieser Tarifrunde quasi der beste Helfer der IG Metall, die Belegschaften auf die Straße zu bringen?
Wenn ich die Meinungen generell zu den Managereinkommen höre, sehe ich dies in letzter Zeit problematisch. Speziell in der Reaktion auf Winterkorn stellt man differenzierte Töne auch bei den Arbeitnehmern fest. Volkswagen geht es besser, als die das selbst erwartet hatten – sonst wäre es ja nicht zu dem Bonus gekommen. So ist das offensichtlich übers Ziel hinausgeschossen. Aber die Beschäftigten sehen das als Sondersituation. Sie sagen: Der ist gut, jetzt wollen wir nicht die Maßstäbe im Nachhinein ändern. Außerdem sind alle an dem Sonderergebnis beteiligt worden.

Spüren Sie als Mittelständler nicht Unverständnis für solch eine Entwicklung?
Es ist emotional genauso schwierig wie für einen Arbeitnehmer. Man muss auch mal die Relationen sehen: Die Dax-Unternehmen beschäftigten nur sechs Prozent unserer Arbeitnehmer in Deutschland.

Brauchen wir schärfere Gesetze?
Das wäre das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es gibt Gesetze. Man kann sagen: die haben hier nicht gewirkt, warum sollen sie in Zukunft wirken? Doch die Transparenz in der Öffentlichkeit wird ein Übriges tun, den Gesetzen Geltung zu verschaffen.

Ab wann fängt eine Lohnspreizung an, unsere Grundwerte zu zerstören?
Man kann nicht einen Spitzenmann, für den es in einem besonderen Jahr wie bei „Sterntaler“ plötzlich Gold geregnet hat, als Kronzeugen für die Spreizung nehmen. Den muss man als einmaliges Phänomen beurteilen. Wenn Volkswagen der Meinung ist, dass auch in Zukunft solche Ergebnisse möglich sind, müssen sie die Maßstäbe verändern, weil die Relationen nicht mehr passen. Das ist so. Wenn das aber ein einmaliger Ausreißer gewesen ist, kann man sagen: Okay, sei’s drum. Die Lohnspreizung ist ein Thema für sich.

Inwiefern?
Während die Einkommen der Hochqualifizierten weiter wachsen, haben wir am unteren Ende eine Austauschbarkeit und geringe Verdienste. Diese Spreizung ist größer geworden – da muss man fragen, bis zu welchem Punkt das notwendig ist. Und wir müssen begreifen, dass wir es im Kern mit einem Problem von Qualifizierung und Bildung zu tun haben. Deshalb ist es auch sinnvoll, dass wir in dieser Tarifrunde die Förderung ausbildungsschwacher Jugendlicher vereinbaren wollen.
Das Gespräch führte Matthias Schiermeyer.