Exklusiv Der frühere Olympionike und sportpolitische Sprecher der Union, Eberhard Gienger, setzt auf „Wandel durch Annäherung“. Die Olympischen Spiele in Sotschi werden Russland verändern, sagt er im Interview mit der Stuttgarter Zeitung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Berlin – - Die Olympischen Spiele in Sotschi werden Russland verändern, glaubt der CDU-Bundestagsabgeordnete.
Herr Gienger, ist Sotschi ein geeigneter Ort für Olympische Winterspiele?
Wenn man die Maßstäbe des Internationalen Olympischen Komitees zugrunde legt, kann man das nicht in Abrede stellen. Sotschi kann die Spiele gut beherbergen. Doch es gab da Eingriffe in die Natur. Ich werde mir ein persönliches Bild davon machen, wie gravierend die sind.
Umweltzerstörung, Korruption, Menschenrechtsverletzungen – wie hoch darf der Preis sein für solche Sportveranstaltungen?
Wenn ich in die Vergangenheit schaue, dann gab es immer wieder Kritik an den Olympischen Spielen. Was in Sotschi an Vorwürfen im Raum steht, verpflichtet uns, von den Veranstaltern Aufklärung zu fordern. Das IOC ist sich sehr wohl bewusst, dass der Gigantismus bei solchen Veranstaltungen an Grenzen stößt.
Ist Olympia ohne Gigantismus möglich?
Es gibt Kurskorrekturen: strengere Umweltauflagen, eine begrenzte Zahl von Wettbewerben. Das IOC muss den Gigantismus weiter einschränken. Die Spiele müssen bezahlbarer werden. Von Spielen, die nur schlechte Schlagzeilen bringen, hat keiner etwas. Der Aspekt friedlicher Wettbewerbe, die Völkerverständigung muss wieder mehr in den Vordergrund rücken.
Warum muss der Sport Autokraten wie Herrn Putin eine Bühne bieten?
Solche Spiele bleiben ja nicht folgenlos, sie bewirken Veränderungen im Land selbst. Das war auch in Peking zu beobachten. Vor Olympia gab es in ganz China offiziell keine Behinderten. Nach den Paralympics waren es 80 Millionen. Ich hoffe auf „Wandel durch Annäherung“. Und mit Sotschi verbinde ich die Hoffnung, dass Russland sich weiter öffnet und verändert.
Stören politische Debatten den Sport?
Die Athleten können sich solchen Debatten ja nicht entziehen. Es ist ihr gutes Recht, sich im Vorfeld zu äußern. Das kann aber auch die Vorbereitung beeinträchtigen. Und während der Spiele verpflichtet die Olympische Charta alle Sportler, werbliche Aussagen und politische Agitation zu unterlassen. Das soll die Teilnehmer auch schützen. Ich hoffe, dass der Sport im Mittelpunkt steht. Aber die Debatten über Sotschi werden nicht folgenlos verpuffen. 2018 wird in Russland ja die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. Die Russen wären gut beraten, vernünftige Schlüsse aus der Kritik zu ziehen.