Der Grüne Fritz Kuhn hält die Reaktion der Bundesregierung auf Japan für hilflos. Die Atomtechnik sei letztlich nicht beherrschbar.

Stuttgart - Die Grünen sehen sich durch die dramatischen Ereignisse in Japan in ihrer Anti-Atompolitik bestätigt und glauben, dass sich dies auch im Wahlkampf noch deutlich zeigen wird.

 

Herr Kuhn, kann man nach diesem schweren Atomunfall schon die parteipolitische Debatte über den Atomausstieg in Deutschland beginnen?

Bei mir überwiegt zunächst einmal die Trauer über das, was in Japan passiert ist. Wir sollten an die Menschen denken, die in Lebensgefahr geraten sind. Aber natürlich wirft der Unfall viele Fragen auf, die auch politisch diskutiert werden müssen. Mich hat die erste Reaktion der Bundeskanzlerin und des Bundesumweltministers nicht überzeugt. Das war organisierte Hilflosigkeit. Für mich steht jenseits der tagespolitischen Debatte fest: Die Atomtechnik ist letztlich nicht beherrschbar. Deshalb müssen wir aussteigen.

Der Bundesumweltminister will eine Grundsatzdebatte zur Kernkraft führen. Ist das glaubwürdig?

Das wundert mich schon sehr. Die schwarz-gelbe Regierung hat gerade die Laufzeiten verlängert. Wer die Laufzeiten verlängert, verfestigt nicht-beherrschbare Risiken. Was wir zuerst machen müssen, ist eine Sicherheitsüberprüfung aller Atomkraftwerke nach dem Stand von Wissenschaft und Technik. Wir wissen seit langem, dass die Kernkraftwerke Neckarwestheim 1 und Biblis A weniger Kühlmittelreserven haben als modernere Kraftwerke.

Die Bundesregierung begründet die Ausweitung der Atomlaufzeiten mit der Politik anderer Länder, die ihre Kernkraftwerke länger am Netz lassen. Müssen ältere Anlagen schneller abgeschaltet werden?

Ja, ohne Zweifel. Auf jeden Fall gilt, dass ältere Anlagen gefährlicher sind als modernere. Der Reaktor Fukushima 1 hätte in wenigen Wochen stillgelegt werden sollen. Die alten Anlagen - und dazu gehört Neckarwestheim 1 - müssen sofort vom Netz gehen, weil solche Risiken auch bei uns nicht beherrschbar sind. Das heißt aber noch lange nicht, dass moderne Anlagen unproblematisch sind.

Die Kanzlerin sagt, die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke werde neu überprüft. Warum reicht Ihnen dies als Momentaufnahme nicht?

Weil ich die Sorge habe, dass das wieder nur eine Pseudo-Beruhigungsaktion ist. Klar ist, dass wir zum Atom-Ausstieg zurück müssen und die älteren Kraftwerke gleich abschalten müssen.

Was bedeutet der Unfall für den baden-württembergischen Landtagswahlkampf?

Wir werden als Grüne ernsthaft und nicht reißerisch mit dem Thema umgehen. Die Ereignisse in Japan werden viele Menschen in unsere Wahlveranstaltungen führen. Wir weisen seit langem darauf hin, dass die Atomkraft nicht zu verantworten ist. Die Grünen werden die Alternative deutlich machen: Entweder steigt Deutschland durch uns aus der Atomkraft aus oder die Laufzeiten bleiben mit Schwarz-Gelb verlängert. Die Vernebelungstaktik von Union und FDP lassen wir nicht durchgehen.