Exklusiv Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger kündigt einen Kurswechsel bei den Werkverträgen an: Der Arbeitgeberverband will den erbitterten Streit mit der IG Metall beilegen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Stuttgart. - Bei den Werkverträgen gehen die Metallarbeitgeber auf Konsenskurs zur IG Metall. Den Wunsch der Gewerkschaft nach neuen Modellen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf lehnen sie aber ab. Das Gros der Beschäftigten sei damit zufrieden.
Herr Dulger, die Wirtschaft tut sich schwer mit der großen Koalition. Ist die Enttäuschung über das Ende von Schwarz-Gelb noch nicht verkraftet?
Im Koalitionsvertrag gibt es Licht und Schatten – es ist nicht alles schlecht, was da drinsteht. Die Koalition will die Steuern nicht erhöhen, das ist eine gute Nachricht. Auch ist sie entschlossen, notwendige Korrekturen bei der Energiewende einzuleiten. Den ersten Aufschlag des Wirtschaftsministers fand ich allerdings nicht in allen Punkten gelungen.
Inwiefern?
Selbst erzeugten Strom mit Abgaben zu belasten trifft die Falschen. Das ist, als wenn man mit der Oma daheim Plätzchen backt und dann für die Plätzchen Mehrwertsteuer abführen muss. Aber Sigmar Gabriel ist durchsetzungsstark, ich traue ihm viel zu. Mit den nötigen Korrekturen kann er sich gut profilieren. Keine gute Idee sind die Rentenpläne – sie sind mit über 230 Milliarden Euro viel zu teuer. Die Kombination aus Mütterrente und vorgezogenem Renteneintrittsalter mit 63 ist in der Gesamtbelastung zu viel.
Die Rente mit 63 trifft relativ wenige. Erwarten Sie ernsthaft eine Frühverrentungswelle?
Genau genommen ist es ja teilweise eine Rente mit 61. Es werden auf jeden Fall Beschäftigte unsere Unternehmen verlassen, die wir gerne halten würden. Voraussetzung sind 45 Beitragsjahre, das betrifft die Akademiker nicht – aber meine Metallfacharbeiter, die mit 16 oder 17 Jahren eine Lehre gemacht haben, betrifft es. Die völlig falsche Botschaft heißt nun: Ältere hinaus aus den Werkhallen.
Ältere Arbeitnehmer werden aber auch kaum eingestellt?
In der Metall- und Elektroindustrie ist die Altersgruppe 60 plus in den letzten zehn Jahren um 150 Prozent gewachsen. Der Trend ist eindeutig. Ich finde das klasse.
Welche Vorhaben im Koalitionsvertrag würden Sie noch korrigieren wollen?
Auf jeden Fall die Rentenpläne, denn die sind zu teuer. Mit dem Geld hätte man zum Beispiel einen Zukunftsfonds für Infrastruktur und Bildung bilden können. Sodann kann ich die Überregulierung des Arbeitsmarktes nicht gutheißen. Durch Neuregelungen bei Zeitarbeit und den Mindestlohn wird Einstiegsarbeit in Deutschland unflexibler und teuer.
Der Mindestlohn trifft die gut bezahlende Metallindustrie doch gar nicht?
Die Metall- und Elektroindustrie trifft er nicht, aber unsere Lieferanten und Dienstleister im Umfeld. Ich befürchte, dass der Mindestlohn die Einstiegshürde für An- und Ungelernte nach oben setzt. Wir sollten lieber einen einfachen Einstieg schaffen und möglichst schnell einen Aufstieg daraus machen. Mal sehen, ob im Gesetzgebungsprozess Korrekturen angebracht werden können. Es wird wichtig sein, dass wir nach Regionen, Branchen und mit Ausnahmen differenzieren können.
Haben die Arbeitgeberverbände künftig weniger Einfluss als bei der alten Regierung und richten Sie sich auf ein konfrontatives Verhältnis zur Regierung ein?
Ein klares Nein. Wir werden mit jeder Regierung gut zusammenarbeiten. Arbeitsministerin Nahles habe ich schon mehrfach getroffen. Es ist überhaupt kein Unterschied zum Arbeitsverhältnis vorher, mit Frau von der Leyen. Wir machen auf unsere Interessen aufmerksam. Konfrontation ist nicht das Motto in Berlin.