Marcus Sorg ist der neue Trainer des SC Freiburg. Er arbeitet gezielt an seiner Karriere. Mit Erfolg. Er stieg von der zweiten Mannschaft auf.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Freiburg - Der SC Freiburg ist bereits zum fünften Mal in Schruns im Trainingslager, das am Freitag zu Ende geht. Aber erstmals unter Trainer Marcus Sorg (45), der von der zweiten Mannschaft aufstieg.

 

Herr Sorg, dass Sie als begeisterter Skifahrer nach Schruns kommen, ist nachvollziehbar. Aber hätten Sie es sich mal vorstellen können, als Chefcoach des SC hier zu sein?

Mit Sicherheit nicht. Ich kenne Schruns als Skigebiet im Montafon und auch daher, dass der SC Freiburg schon zum fünften Mal in der Vorbereitung hier ist, aber ich hatte sicher nie den Gedanken, als Chefcoach hierherzukommen.

Haben Sie denn einen Moment gezögert, das Angebot anzunehmen?

Keine Sekunde. Denn ich habe mich nirgends so wohlgefühlt wie in Freiburg. Die Stadt ist durch ihr Umfeld der ideale Arbeitsplatz für einen Profitrainer.

Bei einem Spieler ist es fast unmöglich, dass er auf Anhieb den Sprung von der vierten in die erste Liga schafft. Wie kann man erklären, dass das als Trainer funktioniert?

Als Spieler ist es auch machbar, denn es ist ja ein Teil unseres Konzepts, dass wir Nachwuchsspieler aus der A-Jugend und der Regionalliga in die Bundesliga bringen. Im Trainerbereich ist es - als externe Lösung - sicher undenkbar. Intern kann das durchaus funktionieren, wenn man einen lange kennt und von seiner Arbeit überzeugt ist - und auch den Mut hat, hinter der Entscheidung zu stehen. Das haben in der Vergangenheit ja Beispiele wie das von Thomas Tuchel in Mainz gezeigt.

Wer hat denn in der nächsten Saison die schwierigere Aufgabe: Ihr Vorgänger Robin Dutt in Leverkusen, das wieder in die Champions League will - oder Sie beim SC, wo es "nur" um den Klassenverbleib geht?

Ich denke, es sind beides sehr reizvolle Aufgaben. Robin Dutt kann nun auch international so richtig auf sich aufmerksam machen, und wir haben die Chance - auf der guten Basis, die durch ihn gelegt wurde - das Team weiterzuentwickeln, immer mit der Vereinsphilosophie im Hintergrund.

Und die lautet noch mal wie?

Das Ziel für die Saison lautet klar Klassenerhalt. Und darüber hinaus, so viele Spieler wie möglich aus dem eigenen Nachwuchs an die erste Mannschaft heranzuführen.

Zum Beispiel Christian Bickel und Simon Brandstetter, die Sie aus der zweiten Mannschaft mit hochgenommen haben. Das sind also nicht nur Quotenspieler, sondern auch solche, von denen Sie überzeugt sind, dass sie den Sprung schaffen können?

Absolut, zumindest mittelfristig. Das sind U-19- respektive U-20-Nationalspieler. Christian Bickel hat als Mittelfeldspieler 19 Tore geschossen, der Stürmer Simon Brandstetter 18. Bei diesen Zahlen liegt es auf der Hand, dass wir diese Spieler nach oben ziehen wollen.

Sie haben die Tore angesprochen. Die zweite Mannschaft hat in der abgelaufenen Regionalligasaison die meisten Treffer erzielt. Heißt das, dass sich die Fans nun auch in der Bundesliga auf einen begeisternden Offensivfußball freuen dürfen?

Das lässt sich natürlich nicht einfach übertragen. In der zweiten Mannschaft werden andere Dinge geschult. So haben wir in vielen Spielen manchmal mehr riskiert, weil wir gesagt haben, das Ergebnis ist zweitrangig. Das ist jetzt in der Bundesliga sicher anders, da muss man vielleicht auch mal mit einem Punkt zufrieden sein. Aber wir haben eine gute Basis in der Defensive und müssen eben versuchen, unsere Qualitäten, die wir mit Sicherheit in der Offensive haben, noch mehr zu fördern.

Die Frage, die dabei alle Fans bewegt: Bleibt der Torjäger Papiss Demba Cissé?

Dafür werden wir alles Vertretbare unternehmen. Und versuchen, ihn auch davon zu überzeugen, dass es der richtige Weg ist, hier noch einmal eine so gute Leistung zu bestätigen. Er verhält sich absolut professionell, das sieht man schon im Training. Er zieht immer voll mit und geht stets bis an seine Grenzen. Da übernimmt er eine echte Vorbildfunktion.

Wenn er bleibt, gibt es einen Systemwechsel mit Garra Dembele als zweiter Spitze?

Wir haben auch letzte Saison teilweise schon mit zwei Spitzen gespielt. Ich denke, man tut gut daran, mehrere Systeme einzustudieren. Sollte Cissé bleiben, wovon wir ausgehen, haben wir einen Kader mit sechs Stürmern. Da bieten sich zwei Spitzen an, aber einen Selbstläufer gibt es nicht.

Robin Dutt hat letzte Saison nach dem verloren gegangenen Heimspiel gegen Hannover und den Pfiffen der Fans gesagt, er hoffe, dass unter Ihnen der Klassenerhalt erst wieder am letzten Spieltag klargemacht werde, "dann wird man hier auch gefeiert". Ist die Erwartungshaltung inzwischen so groß, dass man sich mit dem Klassenverbleib gar nicht mehr zufrieden gibt?

Sicher nicht. Aber es ist auch klar, dass - wenn dieses Ziel erst am letzten Spieltag geschafft wird - viel mehr Emotionen frei werden, als wenn das schon fünf Spieltage vorher der Fall ist. Ich denke, dass in Freiburg jeder die sportliche Situation richtig einschätzen kann. Das heißt, wir werden jedes Jahr aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen in der Liga um die Klassenzugehörigkeit kämpfen.

Sie haben Ihre Anteile an einem Ingenieurbüro schon vor längerer Zeit abgegeben. In weiser Voraussicht, dass Sie dafür als Bundesligatrainer keine Zeit mehr haben?

Nein. Viele haben im Trainerjob zwar die Philosophie, dass sie zweigleisig fahren, um sich abzusichern. Das brauche ich nicht. Ich konzentriere mich gerne nur auf eine Sache - das war für mich der Fußball. Man muss an sich glauben, selbst wenn man mal eine schwierigere Phase durchmacht. Mein Ziel war nicht unbedingt Bundesligatrainer, aber es war schon, hauptberuflich im Fußball zu arbeiten - egal in welcher Position.

Und Freiburg ist nach der Ära Finke und Dutt, die als Spieler auch nicht gerade eine große Karriere hatten, die ideale Basis?

Es ist immer eine gute Basis, wenn man gute Arbeit abliefert. Der Verein kennt mich seit drei Jahren, der weiß, was er an mir hat. Auch unter dem einen oder anderen Trainer in der Vergangenheit gab es längere Durststrecken ohne Sieg, als man dennoch ruhig und souverän geblieben ist. Das ist unser größtes Faustpfand. Wenn wir das nicht verlieren, ist die Chance sehr groß, dass wir lange zusammenarbeiten.

Glauben Sie, dass Sie auch so viel Kredit wie Ihr Vorgänger haben, um zwölf Spiele ohne Sieg zu überstehen?

Darüber denke ich, ehrlich gesagt, nicht nach. Wir gehen positiv und mit Weitblick an die Aufgabe ran. Druck von außen ist da der falsche Ratgeber.

Hat man im Bundesligaalltag überhaupt noch Gelegenheit, mal einen Blick auf die "Niederungen" der Regionalliga zu werfen?

Prinzipiell ist man ja am Fußball allgemein interessiert. Und wenn man die letzten Jahre dort trainiert hat, ist klar, dass man ein Auge darauf wirft. Man verfolgt mit Sicherheit die eine oder andere Mannschaft.

Also werden Sie Ende August beim Gastspiel Ihres Ex-Clubs Stuttgarter Kickers gegen den SC Freiburg II vorbeischauen?

Da wir am nächsten Tag ein Heimspiel haben, schaue ich mir die Partie sicher an.

Der Bau-Meister

Spieler: Marcus Sorg (45) hat es auf 34 Zweitligaspiele beim SSV Ulm gebracht. Zudem stürmte er für die VfB-Amateure, die TSF Ditzingen und den VfR Mannheim. Nebenbei machte er ein Bau-Ingenieurstudium.

Trainer: Seine Karriere begann 1999 bei den Stuttgarter Kickers II, dort war er von August 2001 bis März 2003 auch Chefcoach. Danach folgten die Stationen Ditzingen, Heidenheim und Ulm. 2008 holte ihn Robin Dutt zum SC Freiburg, wo er zunächst die B-Junioren und später die zweite Mannschaft betreute.