Können Sie denn sein Doppelleben nachvollziehen, dieses nach außen stetige Leugnen seiner Homosexualität?
Sicher kann ich verstehen, warum er sich so entschieden hat. Vor allem in Anbetracht der damaligen Zeiten. Ihm ging es um seine Karriere, die stand für ihn über allem. Auch wenn man sich das heute kaum vorstellen kann, ahnte sein Publikum damals wirklich nicht, dass er schwul war. Und ich denke schon, dass die Wahrheit ihm angesichts seiner doch eher älteren, konservativeren Zielgruppe geschadet hätte. Es hat ja seinen Grund, warum selbst Elton John – der sich im Übrigen, genau wie heute Lady Gaga, einiges von Liberaces Theatralik genau abgeguckt hat – zu Beginn seiner Karriere seine Homosexualität nicht an die große Glocke gehängt hat.
Aber auch heute sind ja noch etliche Stars ungeoutet.
Nicht zuletzt in Hollywood! Man kann davon halten, was man will, aber sie fürchten nun einmal um ihre Karriere-Aussichten. Es ist auch kein Zufall, dass es im Fernsehen mehr Schauspieler gibt, die zu ihrer Homosexualität stehen. Denn die meisten von denen spielen in Serien mit und können davon ausgehen, dass ihre Jobs dadurch zumindest für die nächsten paar Jahre gesichert sind.
Wo wir gerade beim Thema Sexualität sind: wie viel Überwindung kosteten die Sexszenen und schwulen Filmküsse?
Was ich im ersten Moment nicht ganz leicht fand, war etwas ganz anderes. Mit schlaffen Hängebrüsten und Glatze vor der Kamera zu stehen, das kostete ein wenig Überwindung. Alles andere war ganz normaler Bestandteil der Rolle und mir ja schon beim Lesen des Drehbuchs bewusst. Ich wusste, worauf ich mich einließ – und ich war sehr dankbar, dass Matt Damon es mit der gleichen Hingabe tat. Zwischen uns ging es nie darum, ob uns irgendwas peinlich oder unangenehm war. Sondern um die Frage, welchen Lipgloss man für die Küsse bevorzugt. Dass Matt, dieses Früchtchen, auf Pfirsich steht, hätte mir gleich klar sein müssen! Aber Scherz beiseite: mir hat wirklich jeder einzelne Aspekt dieses Films einfach nur Freude bereitet. Wie sollte es auch anders sein, wenn man bei der Arbeit von lauter Freunden und hoch talentierten Kollegen umgeben ist?

„Alles, was Hollywood gerade produziert, ist langweilig“

 
Und wenn Sie einen Aspekt herausheben müssten, was gefällt Ihnen an „Liberace“ am besten?
Schwierige Frage. Als stolzer Besitzer durch diese unfassbaren Häuser zu flanieren war schon klasse. Aber besonders geliebt habe ich diesen kurzen Abschnitt des Films, in dem Matt und ich zu einem alten schwulen Paar werden, uns ein bisschen gehen lassen und gemeinsam mit Bauchansatz vorm Fernseher sitzen. Das fand ich sehr süß und rührend.
Ein weiterer Oscar wird Ihnen für diese Rolle verwehrt bleiben, da „Liberace“ bekanntlich fürs Fernsehen produziert wurde und in den USA dort auch schon im Pay-TV zu sehen war; damit fällt er für die Auswahl der Filmakademie flach. Hat es Sie überrascht, dass kein Filmstudio in Hollywood sich an den Stoff herangetraut hat?
Ein bisschen schon. Einfach angesichts der hochkarätigen Namen, die ja alle schon mit an Bord waren. Aber in meinen Augen hatten all die Absage keinen homophoben Hintergrund. Das waren finanzielle Entscheidungen, weil man glaubte, für einen Film mit dieser Thematik würden sich zu wenige, nämlich bestenfalls homosexuelle Zuschauer interessieren. Das unterstreicht aber nur einmal mehr, in welcher Krise die großen Studios aktuell stecken. Was dort zurzeit produziert wird, ist nur langweilig und frei von jeder Art Risiko. Geld ausgegeben wird nur für Comicverfilmungen und Fortsetzungen statt für kleinere Projekte mit Geschichten abseits der Norm.