Sie hatten ja schon in der Vergangenheit bei einigen Unterkünften mit Vorurteilen aus der Bevölkerung zu kämpfen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Stimmung in der Stadt kippt, wenn der Zustrom anhält?
Natürlich prüfen wir bei der Auswahl der Standorte für Unterkünfte auch die Sozialverträglichkeit. Betroffenheiten gibt es immer, aber wir haben stets im Auge, wie gravierend die Eingriffe für einen ganzen Stadtbezirk oder Stadtteil sind. Sie finden in ganz Stuttgart keinen Standort, wo es nicht einzelne Betroffenheiten geben wird. Ich habe den Eindruck, dass Stuttgart, das über Jahrzehnte eine gute Integrations- und Willkommenskultur entwickelt hat, das ohne soziale Spannungen aushält. Aber wir versuchen, sensibel vorzugehen und an der Dezentralität festzuhalten.
In Stuttgart gibt es derzeit keine Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Andere Gemeinden im Land reagieren darauf zunehmend mit Unverständnis. Wäre der Eiermann-Campus in Vaihingen nicht doch eine Option für eine solche Anlaufstelle?
Ich möchte eines vorwegschicken: Die Landeshauptstadt nimmt im Vergleich zu allen anderen Kreisen die meisten Flüchtlinge auf, weil wir die höchste Einwohnerzahl haben und sich die Aufnahmequote danach bemisst. 6,4 Prozent aller Flüchtlinge in Baden-Württemberg werden in Stuttgart untergebracht, wir leisten also einen wesentlichen Beitrag. Es gibt auch keine gesetzliche Verpflichtung für die Einrichtung einer Erstaufnahmestelle, das richtet sich nach den räumlichen Möglichkeiten. Wir sperren uns aber nicht dagegen, wenn es ein geeignetes Objekt gibt. Der Eiermann-Campus wäre denkbar, aber das Thema ist Sache des Landes. Wir sind in erster Linie gefragt, unsere kommunale Aufgabe der Unterbringung zu erfüllen.
Braucht die Verwaltung auch strukturell Veränderungen, um die Herausforderung zu meistern – Stichwort Flüchtlingsamt? Die Ausländerbehörde ist völlig überlastet.
Ich halte nichts davon, das Problem durch Bildung eines neuen Amtes zu lösen. Da würden wir uns erst einmal monatelang mit uns selbst beschäftigen. Die Aufgabenstellung ist ämterübergreifend. Natürlich knirscht es da auch an manchen Stellen, aber im Großen und Ganzen meistern wir das sehr gut. Wir sind dabei, für die entsprechenden Dienststellen im Sozialamt eine neue Unterbringungsmöglichkeit zu finden, weil dort die Kapazitätsgrenzen erreicht sind. Dort soll auch das Asylteam des Amts für öffentliche Ordnung angesiedelt werden. Zudem haben wir im Flüchtlingsbereich bereits neue Stellen geschaffen, das Personal wird in den Haushaltsberatungen nochmals aufgestockt.
Apropos Haushalt: Sie müssen auch mehr Geld für Sozialwohnungen bereit stellen, um sicherzustellen, dass die provisorischen Flüchtlingsunterkünfte nicht zur Dauerlösung werden.
Der Bau von Sozialwohnungen setzt verfügbare Grundstücke voraus. Wir werden uns sicher darüber unterhalten müssen, ob wir den Anteil von Sozialwohnungen auf den bisherigen städtischen Entwicklungsflächen – etwa im Neckarpark – nochmals erhöhen. Das kann über die sogenannte mittelbare Belegung geschehen, um einseitige Sozialstrukturen zu vermeiden: Wenn ein Wohnungsbauunternehmen also beispielsweise 50 Sozialwohnungen bauen will, gibt es die Möglichkeit, die Hälfte davon am konkreten Standort mit Sozialmietern zu belegen und den Rest frei zu vermieten. Das Unternehmen muss aber die restlichen 25 Sozialwohnungen andernorts, sprich im übrigen Stadtgebiet verstreut, anbieten.
Integration findet auch über den Arbeitsmarkt statt. Wird die Stadt selbst mehr Stellen für Ein-Euro-Jobs schaffen?
Die Teilnahme an solchen Programmen ist freiwillig, und sicher wird man diese Programme den gestiegenen Flüchtlingszahlen anpassen.