Hat das ehrenamtliche politische Engagement nicht auch Nachteile? Ich denke etwa an hochkomplexe Materien wie die Cross-Boarder-Leasing-Verträge oder die finanzielle Beteiligung der Stadt an der Rettung der LBBW – das überblickt man doch ohne einen Mitarbeiterstab aus Experten und Wissenschaftlern kaum noch, oder?
Natürlich ist ein Risiko dabei. Ich setzte da auf Fraktionen. Solche Zusammenschlüsse können die Unzulänglichkeiten der einzelnen Stadträte etwas ausgleichen. Wichtig ist dennoch, dass der Unterschied zwischen Verwaltung und Stadträten bestehen bleibt. Stadträte dürfen sich nicht als die besseren Verwaltungsfachleute verstehen. Aufgabe der Stadträte ist es, Ziele zu setzen, Wünsche und Bedürfnisse einzuspeisen. Die Verwaltung liefert die Grundlagen für die Entscheidungsfindung. Dieser Unterschied darf nicht verwischt werden, sonst gibt es keine zureichende Kontrolle der Verwaltung durch Vertreter der Bürgerschaft.
Umgekehrt müssen Sie sich dann aber auf das verlassen können, was Ihnen die Verwaltung liefert . . .
Die Fraktionen müssen letztlich nach außen Haltungen vertreten. Wenn man also etwa der Auffassung ist, der Staat müsse bei der kommunalen Daseinsvorsorge eine dominierende Rolle spielen, hätte man die Cross-Border-Leasing-Verträge eigentlich vom Tisch wischen müssen, ohne sich in Einzelheiten zu vertiefen. Gleiches gilt für Stuttgart 21. Die Grundsatzentscheidung dafür wurde ja von der Mehrheit im Rat nicht nur so getroffen, weil man zu wenig Fakten auf dem Tisch hatte. Als ich als damaliger Fraktionssprecher der Grünen kurzfristig zur ersten Vorstellung des Riesenprojekts von OB Manfred Rommel zur Pressekonferenz eingeladen wurde, saßen die anderen Fraktionschefs – längst persönlich vorinformiert, mit Unterlagen versehen und mit allem einverstanden – schon im Raum. Die Entscheidung war andernorts bereits getroffen worden.
Hat sich denn das Gefüge zwischen der Verwaltung und dem Kontrollorgan Gemeinderat verändert über die Jahre?
Ich will mal so sagen: die Fraktionen, die den OB stellen, müssen aufpassen, dass sie sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass es die Verwaltung schon recht machen wird. Der Gemeinderat ist immer in der Pflicht, genau hinzuschauen.