Die Volksbank Stuttgart eG hat eine wechselvolle Geschichte: Der Vorstandschef Rainer Kattinger gibt am Montag nach langen Jahren sein Amt ab. Im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung zieht er eine positive Bilanz seiner Amtszeit.

Stuttgart – Die Volksbank Stuttgart eG hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die geprägt war von Fehlentscheidungen, Sanierungsphasen und mehreren Fusionen. Es hat einige Jahre gedauert, bis sie ihre Rolle als genossenschaftliche Bank im Großraum Stuttgart gefunden hat. Letzter großer Schritt war 2010 der Zusammenschluss der damaligen Stuttgarter Volksbank AG mit der Volksbank Rems. An der Spitze des Instituts mit rund 300 000 Kunden steht Rainer Kattinger (61). Der langjährige Vorstandschef gibt am Montag bei der Vertreterversammlung sein Amt an seinen Stellvertreter Hans Rudolf Zeisl (58) ab.
Herr Kattinger, Sie leiten die größte Volksbank in Baden-Württemberg. Haben Sie mit der Bildung der Volksbank Stuttgart eG Ihr wichtigstes berufliches Ziel erreicht?
Ja, das kann ich schon so sagen. Die Größe einer Bank ist jedoch kein absolutes Kriterium. Entscheidend ist, welche Bedeutung ein Institut im Markt hat. Unser Problem vor der Fusion war, dass die alte Stuttgarter Volksbank nicht mehr so schnell gewachsen ist wie ihre Kunden. Dadurch haben wir Marktanteile verloren. Und die Volksbank Rems war ein idealer Partner.

Haben Sie die Marktanteilsverluste wieder aufgeholt seit dem Zusammenschluss?
Ja, wir haben es geschafft, seit 2010 Marktanteile hinzuzugewinnen. Zudem ist die Bank in den letzten Jahren erheblich stabiler geworden. Wir haben Eigenkapital aufgebaut, die Zahlen stimmen. Nacharbeiten muss der Vorstand noch bei den Kosten. Dies wird aber nicht zu dramatischen Einschnitten oder gar Kündigungen führen. Wir haben bisher alle rund 1000 Mitarbeiter an Bord gehalten. Künftig werden allerdings nicht mehr alle frei gewordenen Stellen wieder besetzt werden.

Der Stuttgarter Markt ist ja besonders hart umkämpft, die Volksbank steht im Schatten der BW-Bank. Haben Sie auch im Stadtgebiet Ihre Marktstellung verbessert?
Ja, aber da darf man nicht zu viel erwarten. Ich habe mir immer ein Beispiel an der Frankfurter Volksbank genommen. Sie ist auch weit über das engere Stadtgebiet hinaus aktiv. Gerade an der Peripherie von Großstädten sind die klassischen Volksbankkunden zu Hause: Privatkunden und der Mittelstand.

Aus der Stuttgarter Volksbank AG wurde die Volksbank Stuttgart eG. Das Institut hat sich vom Exoten unter den Volksbanken in eine klassische Genossenschaft zurückverwandelt. Die Rechtsformumwandlung galt eigentlich als Ding der Unmöglichkeit. Warum ist sie dann doch gelungen?
Wir sind die ersten, die eine Aktiengesellschaft in eine eingetragene Genossenschaft durch Fusion umgewandelt haben. So etwas gab es vorher noch nie. Viele Juristen haben uns gesagt, dass das nicht machbar ist. Die Bewertungsfrage ist das zentrale Problem. Wir hatten damals Glück, dass 2008 und 2009 Banken wegen der Finanzmarktkrise ohnehin niedrig bewertet waren. Dadurch, und mit Hilfe unseres Hauptaktionärs, dem Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), konnten wir verhindern, dass bei der Umwandlung allzu viele Aktionäre abspringen.

Wie hat sich die Genossenschaft bewährt?
Mit der Rückkehr zur eG haben wir gerade in Stuttgart viele neue Mitglieder gewonnen. Und die alte Stuttgarter Volksbank hatte das Problem, dass sie notorisch zu wenig Aktionäre hatte. Die Bank will ja bis 2015 rund 150 000 Mitglieder haben. Heute sind es rund 130 000. Jede Woche kommen 200 neue Mitglieder hinzu. Deshalb bin ich ziemlich sicher, dass die Bank ihr Ziel bis 2015 erreicht.

Weitere Zusammenschlüsse mit einer anderen Volksbank wird es nicht geben?
Die Fusion mit Rems war die letzte. So ist zumindest unsere Planung. Der Zusammenschluss ist super gelaufen, da gab es überhaupt keine bösen Geräusche. Deshalb kann ich auch jetzt ruhigen Gewissens in den Ruhestand gehen.

Wann haben Sie entschieden, zum jetzigen Zeitpunkt von Bord zu gehen?
Die Vereinbarung, dass ich in diesem Jahr ausscheide und an den Kollegen Zeisl übergebe, wurde schon im Fusionsvertrag 2010 festgelegt.

Mit Ihrem Abschied verringert sich die Zahl der Vorstandsmitglieder von sechs auf fünf. Bleibt es bei dieser Größe?
Das muss der Aufsichtsrat entscheiden. Meine Meinung ist, dass eine Bank mit rund fünf Milliarden Euro Bilanzsumme auch mit vier Vorstandsmitgliedern auskommt.

Die Bank bezeichnet ihre Mitglieder als Bankiers. Bezeichnen Sie sich auch so?
Ich würde eher Bankmanager sagen.

Wie kommt diese Titulierung bei den Mitgliedern an? Empfinden sie das nicht als zu hochgestochen?
Das Augenzwinkern, mit dem wir den Begriff verwenden, versteht eigentlich jeder. Die Volksbank Rems nannte ihre Eigentümer schon seit längerem Bankiers. Die Akzeptanz ist sensationell. Was für uns auch sehr positiv ist: Die Mitglieder arbeiten mit uns enger zusammen als andere Kunden. Sie sehen die Volksbank als ihre Bank an.

Sparen ist gegenwärtig ja eine frustrierende Angelegenheit. Die Inflation ist deutlich höher als die Zinsen, die die Banken zahlen. Was raten Sie den Kunden?
Die Lage am Kapitalmarkt ist äußerst schwierig – und ich fürchte, wir werden noch eine ganz Zeit japanische Verhältnisse mit de facto Nullzinsen behalten. Und für einen Einstieg an der Börse sind die Kurse inzwischen schon sehr hoch.

Wie legen Sie Ihr Geld an?
Ich persönlich bleibe beim Sparbuch.

Aus der Belegschaft verlautet, dass eine Reihe von Mitarbeitern neue Arbeitsverträge zur Unterschrift vorgelegt bekommt. Die Befürchtung ist, dass sie mit den neuen Verträgen schlechter gestellt werden. Können Sie die Befürchtung entkräften?
Bei den allermeisten Mitarbeitern gibt es keine Änderungen. Nach der Fusion haben wir einzelne Berufsgruppen neu geordnet. In den meisten Fällen ergeben sich daraus eher Verbesserungen als Verschlechterungen für die Beschäftigten.

Sie haben bereits angekündigt, dass Sie nicht in den Aufsichtsrat der Volksbank Stuttgart wechseln. Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?
Ich will mich um meine Enkeltochter kümmern, vielleicht habe ich sogar bald zwei. Ansonsten möchte ich reisen und meinen Hobbys nachgehen: Ski fahren, Golf spielen und viel lesen.