Sie haben mal gesagt, Sie würden keine Romane lesen. Haben Sie denn nie Sehnsucht nach fiktiven Welten?
Warum soll ich in fiktive Lebenswelten? Nein, ich traue denen nicht, die mich da an der Hand nehmen. Die meisten von diesen Büchern, von denen man sagt, sie hätten mit uns allen zu tun, wurden von weißen, heterosexuellen Männern geschrieben, die für sich beanspruchen, sie hätten etwas über unsere Welt zu sagen. Natürlich habe ich als Kind und Student Romane gelesen, aber das hat mich irgendwann gelangweilt. Ich brauche ein Sachregister und kein Personenregister.

Sie sind ein gefragter Regisseur, haben viele Preise bekommen. Was tun Sie, damit Sie nicht abheben?
Abzuheben in dem Beruf, das wäre: in die  Bedeutungsfalle zu tappen. Das passiert einem, wenn man dem Hype glaubt, der um einen gemacht wird. Ich finde es schrecklich, wenn jemand denkt, er sei bedeutend. Glaubt man, wenn Medien und Akademiker schreiben, es sei ganz toll, was man macht, dann glaubt man leider auch, wenn sie schreiben, es sei alles nicht mehr so gut. Dann sitzt man richtig in der Tinte. Wenn man selber nicht weiß, was man da macht, hat man es wirklich schwer.

Viele erfolgreiche Künstler kaufen sich irgendwann ein dickes Auto, trinken Edelweine, paffen Zigarren . . .
Sich so ein Auto zu kaufen ist halt so kleinbürgerlich. Da würde ich denken: Der wollte nur reich werden. Es gibt in meinem Beruf auch Leute, die nur berühmt werden wollten. Und es gibt welche, die spielen, dass sie inszenieren und schreiben. Das stelle ich mir tragisch vor, nicht herausgefunden zu haben, wofür das Ganze gut sein könnte.

Was ist Ihr Antrieb?
Es begegnen einem im Leben bestimmte Leute und Theorien, die einem Werkzeuge zur Verfügung stellen, um zu schauen, was in unseren Leben los ist und womit wir es da zu tun haben könnten. Ich habe Theater studiert – und ab einem bestimmten Punkt kamen Theater, Soziologie und Philosophie zusammen. Das hört nicht auf, sich gegenseitig zu befruchten.