Der Leverkusener Trainer Robin Dutt spricht über das Duell mit kriselnden Stuttgartern und seinen Umgang mit Michael Ballack.

Stuttgart - Mit Bayer Leverkusen trifft Robin Dutt heute auf den VfB Stuttgart - für den früheren Kickers-Coach etwas ganz Besonderes: "Ich wohne in Leonberg - und da ist ein Spiel gegen den VfB natürlich kein Spiel wie jedes andere."

 

Herr Dutt, wie viele Fragen sind Ihnen in dieser Woche zu Michael Ballack gestellt worden?

Ich habe nicht mitgezählt, aber es waren ziemlich viele.

Nervt Sie das nicht?

Wenn man einen prominenten Spieler in seinen Reihen hat, muss man eben damit leben, dass es Geschichten gibt. So funktioniert das Geschäft. Das muss man wissen. Ich weiß das. Damit habe ich kein Problem.

Sieht Ballack das genauso?

Da müssen Sie ihn schon selber fragen.

Haben Sie mit ihm jetzt nicht über seine Situation gesprochen, da er momentan bei Bayer nur noch zweite Wahl ist?

Doch, das habe ich.

Und wie lautet das Ergebnis?

Ich habe es bisher immer so gehalten, dass Dinge, über die wir intern und unter vier Augen geredet haben, auch intern bleiben. Das ist mein Prinzip - und daran werde ich auch jetzt nicht rütteln.

Der frühere Nationalspieler Mehmet Scholl hat in der "Bild"-Zeitung gesagt, dass es eine Frechheit sei, wie in Leverkusen mit Michael Ballack umgegangen wird.

Wenn Sie erwarten, dass ich mich dazu äußere, muss ich Sie enttäuschen.

Wie sieht die Übereinkunft aus, die Sie mit Ballack getroffen haben?

Warum sollte es eine Übereinkunft zwischen uns geben? Das brauchen wir nicht. Wir wissen genau, wie wir miteinander umgehen müssen. Michael Ballack ist ein Spieler von uns und gehört zu unserem Kader.

Sonderrechte hat er angesichts seiner Vita als Fußballer keine?

Aufgrund seiner Verdienste hat er bei mir sicher gewisse Privilegien vor dem Spiel und auch nach dem Spiel. In den 90 Minuten auf dem Platz zählt für mich aber nur das Leistungsprinzip. Das gilt für alle.

Kommt Ballack in dieser Saison noch zum Einsatz?

Ich gehe fest davon aus, dass das passieren wird.

Sind Sie dem Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser dennoch dankbar, weil er jetzt erklärte, dass sich die Verpflichtung von Ballack für den Club nicht gelohnt habe?

Warum sollte ich ihm deshalb dankbar sein? Er hat einfach seine Meinung gesagt. Aber natürlich bin ich froh, dass ich einen Mann wie Wolfgang Holzhäuser an meiner Seite habe. Er ist ein Wirtschaftsexperte, der gemeinsam mit Rudi Völler den Verein mit ruhiger Hand führt. Eine bessere Zusammenarbeit kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

In dem Sportdirektor Rudi Völler besitzt Bayer ein Alphatier. Ist es für einen Trainer da nicht schwierig, sich zu behaupten und seine Position zu finden?

Im Gegenteil. Rudi Völler ist ein ganz wichtiger Ansprechpartner für mich. Wir tauschen uns täglich aus. Unser Ziel ist es, hier auch mittelfristig etwas aufzubauen. Jeder Trainer will irgendwann einen Titel gewinnen - auch ich. Dabei helfen mir die Erfahrungen und Einschätzungen von Rudi Völler. Nicht umsonst genießt er ein ganz großes Ansehen im deutschen Fußball. Er ist ein absoluter Ehrenmann.

Als es in der ersten Hälfte der Hinrunde nicht so gut lief, haben sich Holzhäuser und Völler demonstrativ hinter Sie gestellt. Das ist nicht in jedem Club so üblich.

Ich weiß das auch zu schätzen. Jedem Trainer tut es gut, wenn er das Vertrauen der Verantwortlichen spürt. Das ist die Basis, auf der man Entscheidungen treffen kann, die nicht nur kurzfristig angelegt sind, sondern perspektivisch greifen sollen.

Jeder Trainer braucht aber auch kurzfristig Erfolg - was Sie zunächst in Leverkusen nicht unbedingt hatten.

Die Hinrunde muss man in der Tat in zwei Blöcke teilen. Nach den ersten zehn Spielen hatten wir schon vier Niederlagen gegen Mainz, Köln, Bayern und Schalke auf dem Konto. Wir lagen nur auf dem neunten Platz. Diese Bilanz war nicht befriedigend.

Wie ist dann die Wende gelungen?

Ein Schlüsselerlebnis gab es nicht. Es hat nicht einfach klick gemacht. Vielmehr durchliefen wir einen stetigen Prozess, in dem wir uns Schritt für Schritt verbessert haben. So entstand nach und nach ein neuer Geist und eine neue Moral, wozu auch die Erfolgserlebnisse in der Champions League gegen den FC Chelsea und den FC Valencia beigetragen haben. In der Bundesliga haben wir von den nächsten sieben Spielen nur eines verloren - und dieser Trend hat sich jetzt ja auch zu Beginn der Rückrunde fortgesetzt.

Trotzdem lautet die Frage, was Sie von Oktober an anders gemacht haben als zuvor.

Natürlich musste ich mich nach meiner Zeit in Freiburg zuerst einmal auf die neuen Bedingungen einstellen. Das ist in jedem Beruf so, wenn man den Arbeitsplatz wechselt. Aber anders gemacht habe ich nichts. Wenn es überhaupt ein Geheimnis gibt, dann ist es die Kommunikation. Wir haben uns in der Mannschaft und im Trainerteam intensiv unterhalten und gesagt, dass wir als Team zusammenhalten müssen. Auf diese Weise haben wir zueinander gefunden.

Beim VfB Stuttgart lief die Entwicklung genau andersherum als bei Bayer. Die Stuttgarter haben in der Hinrunde gut angefangen, um dann bald nachzulassen.

Davon lassen wir uns aber nicht blenden.

Zuletzt saßen Sie beim 0:3 gegen Gladbach im Stadion. Der VfB machte einen angeschlagenen Eindruck, wieder einmal.

Der VfB ist am Sonntag aber auch auf einen sehr starken Gegner getroffen. Die Tabelle lügt nicht. Aber für uns spielt es ohnehin keine Rolle, in welcher Gemütsverfassung sich unsere Gegner gerade befinden. Wir schauen nur auf uns. Und natürlich erwarten wir jetzt eine Stuttgarter Mannschaft, die sich energisch zur Wehr setzen wird.

Sie kommen aus Stuttgart und haben da auch noch Ihren Wohnsitz. Ist das Spiel gegen den VfB für Sie etwas Besonderes?

Ich wohne in Leonberg - und da ist ein Spiel gegen den VfB für mich natürlich kein Spiel wie jedes andere. Schließlich bin ich mit meiner Familie hier verwurzelt.

Außerdem haben Sie zuletzt in Leverkusen auch von der Arbeit profitiert, die beim VfB geleistet wird.

Das stimmt. Unser Torwart Bernd Leno wurde beim VfB ausgebildet, der ohnehin eine hervorragende Jugendarbeit betreibt. Das ist die Philosophie des Vereins.

Der dann ein Talent wie Leno ziehen lässt.

Erstens ist es so, dass der VfB dafür eine anständige Ablösesumme kassiert hat. Zweitens führt die glänzende Jugendarbeit zwangsläufig dazu, dass man mehr gute Spieler hat als Stammplätze in der Bundesligamannschaft. Und drittens besitzt der VfB in Sven Ulreich auch einen ausgezeichneten jungen Keeper. Er und Bernd Leno sind beide sehr gute Bundesliga-Torhüter.

Sie haben von der VfB-Philosophie gesprochen. Wie lautet die Philosophie von Bayer?

Nicht viel anders. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass wir auch mal einen erfahrenen Mann aus dem Ausland holen, aber grundsätzlich setzen wir auf junge deutsche Spieler. Wir wollen ein Team, mit dem sich die Fans identifizieren können. Darauf achten wir bei unseren Neuverpflichtungen. Dafür stehen neben Bernd Leno etwa auch André Schürrle, Lars Bender, Daniel Schwaab, Sidney Sam oder Stefan Reinartz.

Dazu passt dann auch, dass Sie für die neue Saison schon den Nürnberger Philipp Wollscheid unter Vertrag genommen haben - wobei Kritiker sagen, mit dem Geld von Bayer im Rücken seien solche Transfers ja auch leicht zu stemmen.

Sagen kann man viel. Wie es sich in Wirklichkeit verhält, ist oft ein anderes Thema. Ich glaube auf jeden Fall nicht, dass sich die Etats des VfB und von Bayer in ihrem Volumen großartig unterscheiden - und von Bayern oder Dortmund will ich da gar nicht reden. Es ist nicht so, dass Bayer das Geld bei uns schubkarrenweise aufs Gelände schaufeln würde. Auch wir müssen solide wirtschaften und ab und zu einen Leistungsträger wie Arturo Vidal verkaufen.

Inzwischen sieht es so aus, als seien Sie in Leverkusen richtig angekommen.

Ich fühle mich momentan hier sehr wohl. Es macht Spaß, das Team tagtäglich zu erleben und zu formen. Aber dennoch ist es auch so, dass es auch bei uns manchmal Probleme und Unruhe gibt.

Sie meinen Geschichten, die zwangsläufig geschrieben werden, wenn man prominente Spieler hat?

Beispielsweise.

Das Gespräch führte

Thomas Haid.