Fünf Musiker aus der Champions League des Rock haben die Band Sons of Apollo gegründet. Den Begriff Supergroup lehnt der Gitarrist Ron Thal aber ab – und über seine Erfahrungen mit Gun N’Roses spricht er allenfalls indirekt.

Stuttgart - Ein Guitar Hero alter Schule ist Ron Thal, und einer mit einem eigenen Stil. Bei den Sona of Apollo befindet er sich in guter Gesellschaft: Der Drummer Mike Portnoy war Gründungsmitglied der New Yorker Fusion-Metaller Dream Theater, wo auch der Keyboarder Derek Sherinian spielte, ehe er mit Glenn Hughes und Joe Bonamassa Black Country Communion gründete. Der Bassist Billy Sheehan spielte in den 80ern in der legendären David Lee Roth -Besetzung mit Steve Vai und später bei den Schmuserockern Mr. Big, und Jeff Scott Soto ist ein ein gefragter Heavyrock-Sänger; seitdem er in den 80ern den Karrierebeginn des Paganini-Wiedergängers Yngwie Malmsteen begleitete.

 

Mr. Thal, Zusammenschlüsse namhafter Musiker werden oft als „Supergroups“ bezeichnet – was halten Sie von dem Begriff? Immerhin steckt im Bandname ein griechischer Gott…

Der Name war Dereks Idee, und es ist natürlich ein Witz – Sons of Crap (Mist) klingt einfach nicht so gut. Supergroups werden zusammengestellt in der Hoffnung, dass die Namen beim Publikum ziehen. Wir dagegen sind fünf Freunde und haben schon in diversen anderen Bands zusammengespielt. Wir sind alle vielbeschäftigt und müssen jonglieren, aber wir hatten jetzt einfach das Gefühl, dass es an der Zeit ist, etwas gemeinsam zu machen.

Jemand hat mal gesagt, eine Band wäre wie ein Beziehung, nur mit mehr Leuten.

Schlimmer: Eine Band ist wie eine völlig dysfunktionale Ehe unter Kindern. Leidenschaftlich gespielte Musik bringt das Kind im Menschen zum Vorschein, im guten wie im schlechten, die pure, unschuldige Seele, die wir sind. Das betrifft Musiker wie Fans gleichermaßen.

Und wie fühlt es sich bei den Sons of Apollo an?

Wunderbar. Ich war schon in Bandsituationen, in denen alles ganz anders war, als man sich das erträumt. Darum engagiere ich mich nur noch in Bands, die wie Familien sind und ehrlich an ihre Musik herangehen. Bei den Sons herrscht großer gegenseitiger Respekt, alle bringen sich gleichberechtigt ein, jede Idee bekommt eine Chance. Die Musik wird länger da sein als wir, wir haben also eine Verpflichtung gegenüber dem Rest der Menschheit, etwas Substanzielles abzuliefern, das die Stimmung der Leute hebt. Entscheidend ist, nicht zu verkrampfen. Wenn man Dinge einfach geschehen lässt, kommen sie ganz natürlich. Ich lasse gerne los und vertraue dem Universum.

Auf Netflix gibt es einen Dokumentarfilm namens „Hired Gun“ (Söldner) über die harten Arbeitsbedingungen von Musikern, die von Stars für Tourneen oder Alben angeheuert werden. Wie sehen Sie das?

Es gibt eine Redensart im Tourneegeschäft: We pick our gig, wir suchen uns unser Engagement aus. Man hat dabei mit vielen Menschen zu tun und hängt wochenlang aufeinander, da kann es immer zum Knall kommen. Dann ist die Frage, wie man reagiert: Spielt man den Superhelden, passt man sich leise an, dreht man durch? Ich versuche immer, ruhig zu bleiben und zu moderieren. Wir habe nur eine sehr kurze Zeit, in der wir als zufällige Zusammenballung von kosmischem Staub existieren, und ich ziehe es vor, diese Zeit nicht mit Lappalien zu verschwenden. Wenn es nicht funktioniert, zieht man es entweder durch, denn es ist ja nicht für immer, oder man sucht sich etwas anderes.

Von Ihnen hört man selten Rock-Klischees, Sie haben als Gitarrist eine eigene Handschrift t entwickelt. Wie kann das gelingen?

Indem man offen ist. Natürlich hat auch mich das Übliche beeindruckt, The Who, Led Zeppelin und Queen, das Auftreten von Kiss, die Songs der Beatles, die unglaubliche Energie von Angus von AC/DC. Aber eben auch schrägere Sachen wie King Crimson. Und meine Oma hatte all diese alten Platten, die auf 78er-Geschwindigkeit liefen, da habe ich Tschaikowsky gehört und alten Jazz und versucht, die Motive auf Gitarre zu übertragen. Ich habe schon fast alles gespielt, Konzertgitarre für Jessica Simpson und Riffs für den Rapper Daryl von Run DMC. Ich habe brasilianische Sachen von Antônio Carlos Jobim probiert und mit Gospelchören musiziert. Immer versuche ich, dahinter zu kommen, wie die jeweilige Musik tickt, was sie ausmacht. Daraus wird dann ein Baustein, den ich meinem Repertoire hinzufüge.

In der Klassik sind bundlose Saiteninstrumente die Regel, E-Gitarren dagegen haben fast immer Bünde – außer Ihre. Wie sind Sie dazu gekommen?

Die französische Gitarrenfirma Vigier hat in den 90er Jahren eine bundlose E-Gitarre hergestellt und niemand hat sie gespielt. Ich habe sie bei der Musikmesse Namm gesehen, ausprobiert, und dann darauf den Song „Day to Remember“ komponiert, der später der Titelsong der Sendung „Metal Show“ im Sender VH1 wurde. Und weil es live anstrengend ist, ständig die Gitarre zu wechseln, habe ich mir 2009 eine Doppelhalsgitarre bauen lassen. Jetzt habe ich immer beides zur Verfügung.

Seitdem der Hersteller Gibson pleite gegangen ist, hört man immer öfter, die Zeit der E-Gitarren wäre womöglich vorbei. Sie dagegen haben gerade in Irland ihren ersten eigenen Workshop für Gitarristen abgehalten. Wie passt das zusammen?

So wie Gitarristen mich inspiriert haben, teile ich nun mein Wissen mit anderen. Ich liebe den Moment, in dem die Leute mit ihrem Instrument etwas entdecken, das ihnen vorher nicht bewusst war. Beim Workshop waren Gitarristen aus ganz Europa, es war sofort ausverkauft. Ich treffe sehr viele junge Menschen, die für ihr Leben gern Gitarre spielen, aus meiner Sicht hat sich da gar nichts geändert. Auf der Produktionsseite schon, zum Beispiel was die Verwendung von Tropenhölzern angeht. Das trifft die Massenproduktion der großen Hersteller und Kettenläden. Die hatten auch früher schon Krisen, Gibson ging es in den 80ern schon mal nicht gut. Ich kenne aber viele kleine Gitarrenmanufakturen wie Vigier, bei denen es besser läuft denn je. Und hunderttausende pilgern jedes Jahr zu Gitarren-Festivals wie Wacken. Nichts ist für immer – aber tot ist hier gar nichts.

Sie engagieren sich für soziale Projekte – wie suchen Sie die aus, um sicherzugehen, dass das Geld bei den Bedürftigen ankommt?

Ich bin sehr vorsichtig und sehr wählerisch und arbeite nur mit Leuten, die etwas Konkretes vor Ort vorweisen können. Eine englische Firma stellt Schmuck aus alten Gitarren her, die der Guns N’Roses-Gitarrist Slash und ich spenden, und das Geld geht direkt an ein Waisenhaus in Indonesien, das eine wunderbare Holländerin leitet. Ein Armreif für 120 Euro bezahlt dort die Windeln für ein Jahr. In Thailand gibt es ein Festival, das Nahrung, Kleidung, Bildung und geschützte Räume für Kinder finanziert. Das kann man alles sehen, die arbeiten völlig transparent. Ich war ihr erster internationaler Gast, habe ohne Gage gespielt und die Anreise und die Unterbringung selbst bezahlt. Das war meine persönliche Spende.