Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Sie haben ohnehin keine Scheu vor forschen Formulierungen: Noch vor Amtsantritt haben Sie den Eindruck erweckt, als wollten Sie die 35-Stunden-Woche schleifen – indem Sie die Schweiz mit ihren 42 Wochenstunden und 22 Urlaubstagen hervorgehoben haben. War das vorschnell?
Das war nicht vorschnell, sondern in der Wiedergabe aus dem Zusammenhang gerissen. Dazu stehe ich allerdings: Man muss jedes Thema ansprechen dürfen – es gibt für mich keine Dogmen, nur weil man etwas einmal erkämpft hat. Statische Vereinbarungen passen nicht mehr in diese dynamische Arbeitswelt. Die Schweiz habe ich angesprochen, weil wir in einer Tochtergesellschaft der Elring Klinger AG eine völlig andere Situation haben. Das war kein allgemeiner Angriff auf die 35-Stunden-Woche.

Auch wollen Sie die Rituale eindämmen und Vorschläge machen, um die Tarifverhandlungen zu beschleunigen. Haben Sie schon konkrete Ideen?
Da sind wir noch in der Entscheidungsfindung. Dass man gewisse Dinge rascher abhandeln kann, liegt aber auf der Hand.

Es hat eine Zeit gebraucht, bis sich die neuen Führungen von Südwestmetall und Gesamtmetall sortiert haben. Spüren Sie eine hohe Erwartung der Mitgliedsunternehmen, jetzt eigene Akzente zu setzen?
Die Mitglieder empfinden es als wohltuend, dass wir gewisse Themen offen ansprechen und proaktiv vorantreiben. Ich glaube, dass wir uns da schon ganz gut positioniert haben.

Sie wollen Sie die Beschäftigten mehr in die Pflicht nehmen, sich arbeitsfähig zu halten?
Die Arbeitnehmer sollten sich immer darüber im Klaren sein, dass man etwas dafür tun muss, um die Arbeitskraft zu erhalten. Man kann nicht über Jahre hinweg seine Gesundheit vernachlässigen und mit Ende 50/Anfang 60 sagen: Ich bin nicht mehr arbeitsfähig – der Arbeitgeber hat die Konsequenzen zu tragen. Ich glaube nicht, dass wir mit der Rente mit 67 am Ende der Fahnenstange angelangt sind – mittel- und langfristig werden wir auch über 69 Jahre reden. Vielleicht noch nicht in zehn Jahren – aber vielleicht in 15 oder 20 Jahren werden sich unsere Nachfolger damit beschäftigen müssen. Da wird es immer wichtiger, die Gesundheit zu erhalten, um in der dann längeren Arbeitsphase bestehen zu können.

Sollten sich die Arbeitgeber nicht vielmehr intensive Gedanken über bessere Arbeitsbedingungen für Ältere machen? Die IG Metall kritisiert unter anderem, es gebe zu wenig Angebote für Altersteilzeit, und deren Quote werde vor allem in kleineren und mittleren Betrieben nicht ausgeschöpft.
Da gibt es sicher noch Nachholbedarf, um die Bedingungen für ältere Arbeitnehmer zu verbessern – wir leben nicht auf der Insel der Glückseligen. Es ist aber schon ein gutes Bewusstsein da: In den letzten zehn Jahren haben die Betriebe sehr viel gemacht beim Gesundheitsmanagement oder den ergonomischen Bedingungen der Arbeitsplätze. Nun brauchen wir eine andere Mentalität, die nicht nur die Freizeit in den Vordergrund stellt. Arbeit kann Erfüllung sein und Spaß machen. Allein die Altersteilzeitregelungen noch auszuweiten, wäre ein Schritt in die falsche Richtung.