Exklusiv Der Ludwigsburger Politiker Steffen Bilger, Sprecher der Jungen Gruppe der CDU, fordert mehr Generationengerechtigkeit und Korrekturen an den Rentenplänen von Arbeitsministerin Nahles. „Es gibt noch viel zu diskutieren.“

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin –  Die große Koalition bürdet künftigen Generationen schwere Hypotheken auf. Der 35-jährige Abgeordnete aus Ludwigsburg kündigt Widerstand an.

 
Herr Bilger, betreibt die große Koalition nur Politik für die Alten?
Gerade wir Jüngeren haben großes Interesse, dass es bei diesem Eindruck nicht bleibt. Und es gibt durchaus einige Vorhaben im Sinne der Generationengerechtigkeit: einen Haushalt ohne neue Schulden sowie Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Das alles ist keine Kleinigkeit.
Wie vertragen sich denn die Rentenpläne mit der Generationengerechtigkeit?
Diese Frage ist absolut berechtigt. Da werden wir unseren Einfluss geltend machen müssen, damit die Pläne unterm Strich verantwortbar sind. Wir müssen aufpassen, jetzt nicht zu große Lasten für die Zukunft zu beschließen.
Wo halten Sie Korrekturen für nötig?
Da muss man differenzieren. Die Mütterrente, die uns als Union sehr wichtig ist, kostet auch viel Geld. Allerdings wissen wir genau, wie viel Geld das ist – und dass die Kosten im Laufe der Jahre schrumpfen. Auch die Rente mit 63, ein Herzensanliegen der SPD, ist den Betroffenen durchaus zu gönnen. Die vorliegenden Pläne gehen aber zu weit.
Was sind Ihre Einwände?
Es darf nicht sein, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne größere Einschränkung angerechnet werden. Wir unterstützen den von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder vorgeschlagenen Stichtag. Damit würden nur Zeiten der Arbeitslosigkeit bis zum 1. Juli 2014 angerechnet. Außerdem kämpfen wir dafür, dass die für die Rente berücksichtigte Arbeitslosenzeit so kurz wie möglich sein wird. Es wäre ein Riesenproblem, wenn wir mit der Rente mit 63 eine Welle von Frühverrentungen auslösen würden.
Wo verläuft da für Sie die rote Linie?
Arbeitsministerin Andrea Nahles spricht von 50 000 Betroffenen. Auch das wären schon zu viele. Zum Verständnis: es geht hier um zusätzlich vorgezogene Renteneintritte, die ohne das Rentenpaket nicht kämen. Dem Arbeitsmarkt würden so qualifizierte Arbeitnehmer entzogen – und das in Zeiten von Fachkräftemangel. Es gibt noch viel zu diskutieren.
Zum Beispiel?
Mehr Beitragszahler stärken das Rentensystem. Deshalb sollte beispielsweise ein flexiblerer Renteneintritt möglich sein für alle, die länger arbeiten wollen.
Wäre es nicht vernünftiger, das viele Geld, das die Rentengeschenke verschlingen, in die Bildung oder die Infrastruktur zu stecken?
In Bildung investieren wir. Für die Infrastruktur bräuchten wir aber eigentlich sieben Milliarden Euro zusätzlich jedes Jahr, um Straßen und Brücken zu sanieren. Wir haben uns darauf verständigt, wenigstens fünf Milliarden mehr bereit zu stellen – allerdings für die gesamte Legislaturperiode. Auch hier stellt sich die Frage: welchen Zustand hinterlassen wir den kommenden Generationen? Daher sage ich Ja zu Investitionen, ich warne aber vor zu hohen Ausgaben, die mit dem Rentenpaket für die kommenden Jahrzehnte beschlossen werden könnten. Es geht hier um zehn Milliarden Euro zusätzlich jedes Jahr.
Was tut die große Koalition überhaupt für die nachfolgenden Generationen?
Neben den Zukunftsinvestitionen in Bildung und teilweise Infrastruktur gibt es einzelne konkrete Punkte. So werden wir einen Vorsorgefonds für die Pflege einrichten. Die vorgesehene Finanzierung von einer Milliarde Euro pro Jahr könnte durch zusätzliche Beiträge ergänzt werden, die Menschen bezahlen, die keine Kinder haben. Damit ließen sich mehr Rücklagen bilden. Ein anderes für uns wichtiges Anliegen ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Es ist ein Signal für junge Menschen, dass die große Koalition eine digitale Offensive gestartet hat.
Wäre es dann aber nicht besser, dieses zukunftsträchtige Thema einem Minister zu überantworten – statt es auf drei verschiedene Ressorts zu verteilen?
Es wäre sicher ratsam, langfristig die Themen mehr zu bündeln und auch den neuen Internetausschuss im Bundestag mit vollen Rechten auszustatten.
Ist es denn generationengerecht, wenn der Mindestlohn erst ab 21 oder 25 gelten soll, wie manche in der Union fordern?
Da gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen. Wenn ich mit jungen SPD-Kollegen spreche, dann sagen die: Ausnahmen für junge Leute würden diese benachteiligen. Wir haben eher die Zukunftsperspektive im Blick: Der Mindestlohn sollte junge Menschen nicht dazu verleiten, wegen eines Jobs auf eine fundierte Ausbildung zu verzichten. Deswegen wäre es auf jeden Fall besser, den Mindestlohn erst von einem Alter an zu zahlen, wenn die Ausbildung in der Regel abgeschlossen ist.
Kürzlich haben Sie getwittert: „War bei der Seniorenunion. Gab einiges zu diskutieren.“ Haben die Alten Ihnen die Leviten gelesen?
Nein, keine Sorge. Wir waren in den meisten Fragen einig. Ich stelle immer wieder fest, dass es in unserem Land keinen Krieg der Generationen gibt. Ältere Menschen wissen sehr wohl, dass sie Verantwortung für die nachfolgenden Generationen haben. Umgekehrt ist auch den jüngeren Menschen ein gutes Miteinander wichtig.