Fußball-Weltmeister und WM-Dritter im Volleyball: ein Gespräch mit der Trainerlegende Stelian Moculescu vom Volleyball-Rekordmeister VfB Friedrichshafen über Teamsport, Harmonie und Schwierigkeiten in Deutschland.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Friedrichshafen - Stelian Moculescu ist das, was man eine Respektsperson nennt. Er strahlt eine natürliche Autorität aus – und das Wort des Trainers des Volleyball-Rekordmeisters VfB Friedrichshafen hat Gewicht in Sport-Deutschland. Es gibt im Mannschaftssport schließlich kaum einen erfolgreicheren Coach als den 64-Jährigen.

 
Herr Moculescu, was war die beste Leistung einer deutschen Mannschaft im Jahr 2014?
Das WM-Bronze der Volleyballer war natürlich Balsam für die Volleyballerseele. Aber der WM-Titel der Fußballer in Brasilien war sicher der Höhepunkt, das muss man neidlos anerkennen. Das war eine sehr gute Leistung und ein verdienter Erfolg.
Sie haben selbst so viel gewonnen: Konnten Sie als Trainer etwas Außergewöhnliches an Joachim Löws Mannschaft erkennen?
Teamwork ist ein abgedroschenes Wort, aber das ist es, was ich als Coach gesehen habe. Es hat mir als Trainer Spaß gemacht, wie sich das Team gegeben hat.
Macht das ein gutes Team aus?
Eine Mannschaft braucht von allem etwas. Druck, Disziplin, Harmonie, Reibung. Es wird sicher nicht so gewesen sein, dass sich die Jungs in Brasilien die ganze Zeit gekitzelt haben, damit sie lachen und einen riesen Spaß zusammen haben. Harmonie bedeutet nicht, dass sich alle dauernd glückselig in den Armen liegen. Es geht in einer Mannschaft darum, Verständnis für den anderen aufzubringen, für die Entscheidungen des Trainers, sich in den Dienst des Teams zu stellen und sich für das große Ganze zurückzunehmen. Wenn jeder sein Ego etwas zurückstellt, ist viel erreicht.
Das ist im Volleyball wie im Fußball so?
Im Volleyball ist das Feld so klein, das ist wie dein Wohnzimmer. Wenn du dich als Familie im Wohnzimmer nicht verstehst, hast du dort auch keine Freude. Für einen Erfolg wie in Brasilien oder in Polen muss aber alles passen – vom Verständnis untereinander bis hin zur uneingeschränkten Akzeptanz der Fähigkeiten des Trainers.
Ist Harmonie der entscheidende Faktor?
Nein. Harmonie ist ein Teil eines Puzzles. In jeder guten Mannschaft gibt es Reibereien und Spannungen – und die sind wichtig und muss ein Team aushalten. Es gibt Situationen, in denen etwas raus muss. Das ist okay. Ein Problem wird das nur, wenn der eine über den anderen danach denkt: so ein Depp. Es darf nichts zurückbleiben, sonst hast du irgendwann ein Problem im Team.
In Deutschland wird viel über Führungsspielern gesprochen. Erst hieß es, diese Typen würden fehlen, bei der Fußball-WM hatte man dann den Eindruck: es geht auch ohne.
Überhaupt nicht. Dass sich alle lieb haben und alle gleich sind, das glauben die Menschen vielleicht gerne, aber das kannst du vergessen. Alphatiere gibt es noch immer – sie sind vielleicht nur liebenswürdiger geworden. Sie agieren nicht mehr so offensichtlich aggressiv auf dem Feld wie ein Oliver Kahn oder Stefan Effenberg. Wir leben in anderen Zeiten, die Ausdrucks- und Verhaltensweisen haben sich verändert. Deswegen werden die Alphatiere von heute in der Öffentlichkeit nicht mehr so als Leitfiguren wahr genommen. Aber: ein Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger sind absolute Alphatiere – nach innen wie auch nach außen. Ohne solche dominanten Spieler und klare Hierarchien in einer Mannschaft kannst du auch keinen Erfolg haben. Nur mit Jedermanns Liebling wird es nix.
Sie sprechen von anderen Zeiten. Haben Sie sich als Trainer auch verändert?
Natürlich. Man muss sich ständig weiterentwickeln. Ich kann heute nicht mehr so arbeiten wie früher. Du musst heutzutage viel mehr kommunizieren. Wissen Sie, früher war ein Spieler halt raus aus dem Team, wenn er schlecht gespielt hat oder seine Körpersprache nicht so war, wie man sich das als Trainer vorstellt. Heute fragt man zuerst, was denn los war, und wenn es Probleme gibt, bespricht man sie.