VfB-Trainer Gross spricht über den Aufschwung des Vereins, Pläne für die neue Saison – und die Kugelschreiber, mit denen er Cacau zum Bleiben bewegen wollte.

Stuttgart - Die Mission Klassenverbleib, mit der Christian Gross in Stuttgart angetreten war, hat der VfB-Trainer erfolgreich abgeschlossen. Nun setzt Gross sich und seinen Spielern ein neues Ziel: den Einzug in den Europapokal.

Herr Gross, Ihr Team hat 41 Punkte, ist die beste Rückrundenmannschaft der Liga und kann noch in den Europapokal einziehen. Hätten Sie sich all das vorstellen können, als Sie im Dezember VfB-Trainer wurden.


Nein. Ich wurde ja auch mit einer ganz anderen Zielsetzung geholt. Ich sollte den Abstieg vermeiden und nicht einen internationalen Platz erobern. Jetzt ist die Situation natürlich um so erfreulicher.

Was sind die wichtigsten Gründe für diesen Aufschwung?


Ganz wichtig war, dass wir das erste Spiel gegen Urziceni gewinnen konnten. Das war eine Initialzündung. Dann hatten wir eine gute Vorbereitung und einen fast optimalen Januar. Ich freue mich sehr darüber, dass es mir gelungen ist, aus den Spielern Leistung herauszukitzeln und Energie zu vermitteln. Die Mannschaft brauchte Energie, sie war festgefahren und blockiert.

Wie konnten Sie die Blockade lösen?


Da helfen natürlich Siege - und eine klare Ansprache. Ich wollte einen vertikaleren Fußball, ich wollte mehr Tore. Das haben wir erreicht. Ich habe versucht, das alles mit möglichst viel Freude zu vermitteln. Jetzt merkt man, dass eine Mannschaft am Werk ist, die Freude am Fußball hat.

Wie sehr hat sich die Stimmung innerhalb des Teams verändert?


Ich spüre, dass bei den meisten Spielern nicht mehr der persönliche Zustand im Vordergrund steht, sondern der Mannschaftsgedanke. Das ist insbesondere ein Lob an die Akteure, die häufig auf der Ersatzbank sitzen. Wenn ich höre, dass Khalid Boulahrouz trotzdem immer gerne trainiert hat, dann freut das einen Trainer.

Es gab aber auch Spieler wie Alexander Hleb oder Serdar Tasci, die sich über fehlendes Vertrauen beklagt haben.


Ein Spieler von internationalem Zuschnitt wird nun einmal von vielen Seiten betreut und beeinflusst. Früher war der Trainer der entscheidendere und richtungsweisendere Mann als im heutigen Umfeld, das vielfältiger ist. Es braucht daher eine Zeit, um sich kennenzulernen und Vertrauen zu schöpfen. Ich denke, dass die Spieler jetzt wissen, dass ich es ehrlich mit ihnen meine und dass wir gemeinsam erfolgreich sein können.

Werten Sie es auch als gutes Zeichen, dass Spieler ihre Verärgerung zeigen, wenn sie nicht spielen dürfen?


Wir sind in einer ganz speziellen Saison - der Saison der WM. Da will sich jeder positionieren. Das sehe ich ein, das will ich auch niemandem verbauen. Nur: es muss auch einen gesunden Konkurrenzkampf geben, der von gegenseitigem Respekt geprägt sein sollte. Wenn ein Ego zu mächtig wird, muss ich zu unbeliebten Mitteln greifen. Der Mensch regiert nun einmal auf Reize. Ich versuche daher täglich, den Willen zur Leistung zu transportieren.

Wie schwer war es speziell im Fall von Hleb, ihn in die richtigen Bahnen zu lenken?


Als ich hier angetreten bin, war er in keinem guten Zustand - körperlich, aber auch was das Mentale betrifft. Wenn ein Spieler bei einem Freistoß in der Mauer steht und den Kopf einzieht, dann muss ich mit ihm reden. Und wenn einer so viel Geld verdient wie er, dann umso mehr. Da fallen deutliche Worte. Ein Spieler muss sich bewusst sein, dass er alles für die Mannschaft und den Verein tun muss. Ich glaube, das hat Alex jetzt verstanden und umgesetzt. Auch er hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir die Mission, mit der ich angetreten bin, den Klassenverbleib, erfolgreich abgeschlossen haben. Jetzt gibt es ein neues Ziel - und das ist das Erreichen eines internationalen Platzes.

Wie schätzen Sie die Chancen ein?


Bei optimalem Verlauf der letzten sechs Spiele haben wir eine kleine Chance. Das heißt aber, dass wir praktisch alle Spiele gewinnen müssen.

Ist das möglich?


Nur wenn wir hochkonzentriert sind und die Spannung aufrecht erhalten. Diese Woche hat Cacau seinen Wechsel und Jens Lehmann sein Karriereende bekannt gegeben. Man konnte fast den Eindruck haben, die Luft sei schon draußen. Das darf uns uns passieren. Gelöste Stimmung ist eine gefährliche Stimmung - und das gefällt mir überhaupt nicht.

Wie wichtig wäre es für den Verein und Sie persönlich, dass der VfB auch nächstes Jahr international vertreten ist?


Es wäre ein grandioser Abschluss einer sehr guten Rückrunde. Ich will da hin, weil ich die Grauzone hasse. Und für einen Verein, der es gewohnt ist, im Europapokal zu spielen, wäre es eine logische Folge.

Nächstes Jahr werden Sie vermutlich von Beginn an die Teilnahme am internationalen Geschäft anstreben.


Ich kenne die Zielsetzungen des Vereins. Über ein Jahrzehnt hinweg ist es dem VfB fast immer gelungen, international dabei zu sein. Das ist eine Riesenauszeichnung. An der Zielsetzung wird sich nichts ändern.