Sport: Carlos Ubina (cu)
Worauf kommt es im Abstiegskampf am meisten an?
Es gibt kein Patentrezept. Ich habe solche Situationen in Schalke erlebt und in Hamburg. Die Mannschaften, das Umfeld, die Fans, der Betreuerstab, das Management – all das ist jedes Mal ganz unterschiedlich. Es geht daher vor allem darum, dass man in kurzer Zeit alle Beteiligten hinter sich bringt. Ich kann das nicht alleine schaffen, es müssen alle mithelfen. Das ist nicht einfach, wenn man so wenig Zeit hat.
Es sind de facto nur noch neun Spiele.
Warum neun? Es sind zehn.
Das letzte ist beim FC Bayern.
Wir werden auch dort alles versuchen.
Sie haben sich gleich nach Ihrer Ankunft mit Ihrem Vorgänger Thomas Schneider unterhalten. Was hat er Ihnen erzählt?
Das werde ich Ihnen nicht verraten. Ich kann nur sagen, dass mir das Gespräch sehr wichtig war und ich froh gewesen bin, dass sich Thomas dazu bereit erklärt hat.
Worauf achten Sie als allererstes, wenn Sie eine neue Mannschaft übernehmen?
Ich habe vor dem ersten Training eine Ansprache gehalten und gespürt: die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist sehr angespannt. Da versuchst du dann, eine gewisse Lockerheit reinzubringen. Aber: die Spieler wissen auch genau, dass wir einen sehr schwierigen Weg gehen müssen. Das muss man mit Zuversicht tun. Der Mannschaft haben zuletzt die Erfolgserlebnisse gefehlt. Deshalb versuche ich nun im Training, Dinge einzubauen, die den Spaß und das Selbstvertrauen zurückbringen.
Wie ist Ihr erster Eindruck von der VfB-Mannschaft?
Die Spieler sind willig, sie bemühen sich und ziehen voll mit.
Reicht das im Abstiegskampf aus?
Schauen Sie: ein Grund, warum ich jetzt hier bin, ist Fredi Bobic. Ich habe ihn bei Hertha BSC als Spieler und Mensch erlebt. Es war nicht einfach, mit ihm zu arbeiten, aber es hat Spaß gemacht. Weil er eine Meinung hatte und die auch gesagt hat. Damit war ich zwar nicht immer einverstanden – aber nur durch so einen Austausch kommt man weiter. Er wurde besser, ich wurde besser – und das Wichtigste: die ganze Mannschaft wurde besser. Das erhoffe ich mir auch hier in Stuttgart.
Fredi Bobic spielt aber nicht mehr, sondern sitzt als Manager auf der Bank.
Deshalb will ich Spieler, die eine eigene Meinung haben. Denn wenn sie auf dem Platz stehen, können sie nicht immer auf den Trainer zurückgreifen. Sie müssen dann selbst die Entscheidungen treffen.
Es ist aber schon lange ein Problem des VfB, dass es zu wenig Führungsspieler gibt.
Es ist ja nicht nur hier in Stuttgart so, dass es diese dominanten Typen von früher nicht mehr gibt. Wo sind die Effenbergs? Wo sind die Overaths? Die Generation heute ist total anders, sie ist ganz anders aufgewachsen. Darauf muss man sich als Trainer einstellen.
Macht das Ihre Arbeit einfacher oder schwerer?
Sowohl als auch. Leichter ist es, weil die Spieler nicht mehr alles ausdiskutieren wollen. Schwerer ist es, weil man ihnen oft alles aus der Nase ziehen muss. Klar ist: die Spieler müssen auf dem Platz mehr miteinander reden.
Wie kann man das schaffen?
Durch harte Arbeit. Ich habe mir jetzt mehrere Spiele des VfB angeschaut. Und ich konfrontiere die Mannschaft mit verschiedenen Situationen, die mir aufgefallen sind. Im Training setzen die Spieler das sehr gut um, was wir vorhaben. Dann denke ich: aha, sie können es. Jetzt geht es darum, dass sie das auch im Spiel zeigen. Und zwar nicht über 80 Minuten, sondern bis zum Schlusspfiff.