Langfristig halten Sie einen größeren Umbau also weiterhin für nötig?
Natürlich.
Wie gehen Sie damit um, einerseits als europäischer Vordenker zu gelten, andererseits aber, etwa in Südeuropa, zu polarisieren?
Ich glaube nicht, dass ich polarisiere. Ich will, dass wir vorankommen und Ergebnisse erzielen. Und ich bin einer, der versucht, Europa zusammenzuführen. Das ist die vornehmste deutsche Aufgabe. Das geht nicht immer leicht, und ich kann dabei auch nicht immer „everybody‘s darling“ sein. Und ja, manchmal bin ich auch ein wenig knurrig. Das rührt vielleicht von meiner Aufgabe als Haushaltsminister her: Sonst würden zu viele Wünsche an mich herangetragen, die ich nicht alle erfüllen kann.
Ein gutes Stichwort: Es gibt viele Ideen, was mit dem Staatsüberschuss von 20 Milliarden Euro am Jahresende gemacht werden soll.
Schön wär’s, ist aber nicht der Fall. Sie können nicht einfach die Halbjahreszahlen auf das gesamte Jahr hochrechnen. Das funktioniert nicht. Wir können froh sein, wenn wir am Ende des Jahres gesamtstaatlich mit einer Null herauskommen. Das hat auch mit den höheren Ausgaben im Bereich der Migration zu tun.
Am Wochenende debattieren CDU und CSU darüber, wie es mit Europa weitergehen soll. Das ist Teil eines Ablaufplanes, mit dem die Schwesterparteien ihren Streit in der Flüchtlingspolitik beenden wollen. Klappt das?
Der Streit ist doch eher symbolischer Natur, inhaltlich liegen wir eng beieinander: Es war immer klar, dass wir die Menschen, die bei uns Schutz suchen, anständig aufnehmen müssen – das hat übrigens kein Land besser gemacht als der Freistaat Bayern. Und unbestritten ist auch, dass trotz dieser großen Zuwanderung in kurzer Zeit die innere Ordnung und der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht verloren gehen dürfen. Aber in der Politik spitzen sich die Dinge manchmal ein bisschen zu. Ich glaube aber, dass alle Beteiligten nun zur Vernunft kommen.
Auch beim Thema Obergrenze?
Wenn wir jetzt Europas Außengrenzen anständig sichern, mit weiteren Nachbarländern Abkommen schließen und die tatsächlich schutzbedürftigen Flüchtlinge fair innerhalb Europas verteilen, müssen wir die Debatte, die Sie angesprochen haben, gar nicht mehr führen.
Diese Dinge sind angestoßen, aber nicht verwirklicht. Besteht nicht die Gefahr, dass die EU über der Flüchtlingskrise zerbricht?
Machen Sie sich keine Sorgen: Krisen sind immer auch Chancen – das wissen wir seit dem Philosophen Karl Popper. Unter Druck von außen kommen politische Entscheidungen leichter zustande.
Dass ein Punkt erreicht sein könnte, an dem die Krise nicht mehr Vorstufe zu weiterer Integration ist, sehen Sie nicht?
Nein, überhaupt nicht. Und da wir genügend Krisen haben, bin ich ganz optimistisch für Europa.