Die beiden Stuttgarter Kabarettisten Anette Heiter und Özcan Cosar müssen sich zwar im durch und durch ungerechten Kulturbetrieb durchschlagen, trotzdem sind sie sich einig: Wer sich immer wieder ungerecht behandelt fühlt, macht etwas falsch.

Kultur: Adrienne Braun (adr)
Stuttgart – - Sie studieren die Eigenheiten von Menschen und ihrem Verhalten sehr genau – schließlich lebt das Kabarett davon, sich über die Welt zu mokieren. Aber auch wenn Anette Heiter: von der Musikkabarettgruppe Honey Pie und der Comedian Özcan Cosar: auf der Bühne gern den Finger in die Wunden menschlichen Zusammenlebens legen, sind sie doch überzeugt: es geht in unserer Gesellschaft sehr gerecht zu, und es gibt keinen Grund zur Klage.
Herr Cosar:, Sie imitieren in Ihrem Bühnenprogramm gern Griechen oder Italiener. Ist es in Ordnung, sich über andere Menschen und Kulturen lustig zu machen?
Cosar: Ja. Diese Charaktere gibt es, und es ist meine Aufgabe, die Dinge durch die Lupe zu sehen. Wenn die Zuschauer dabei lachen, ist das ein Zeichen dafür, dass sie die Charaktere kennen.
Frau Heiter:, Sie als Juristin wissen sicher, wo die Grenze zwischen Witz und Beleidigung verläuft ?
Heiter: Das ist unterschiedlich. Es gibt blöde Vorurteile wie „die Polen klauen“. Auch wenn Comedians sie bedienen, weil sie einen großen Wiedererkennungseffekt haben, nähert man sich hier einer Grenze. Aber wenn einer eine Charakteristik hat, sollte sie nicht ausgespart werden. Ich finde es schlimm, wenn man über Juden oder Behinderte keine Witze macht. Sie gehören in die Gesellschaft rein – und wenn man sie erwähnt, grenzt man sie gerade nicht aus.
Machen Sie Comedy, um unsere Welt gerechter zu machen, oder „nur“ zur Unterhaltung?
Heiter: Sowohl als auch. Es ist eine Illusion zu glauben, man könne mit einem scharfen Kabarettprogramm die Welt ändern. Aber es ist ein zulässiges Ansinnen, Denkprozesse anzustoßen und den Leuten auf cleverem Niveau den Abend zu versüßen. Die eine oder andere Idee arbeitet vielleicht doch weiter und sorgt für höhere Toleranz.
Cosar: Das Kabarettpublikum will etwas mitnehmen, das Comedy-Publikum will lachen. Mein persönlicher Impuls ist die Liebe zu meiner Kunst. Bei manchen Sachen kommt eine Message rüber, anderes ist einfach ein Gag. Das Publikum sagt übrigens auch nicht: „Da war keine Aussage dahinter, deshalb lache ich jetzt nicht.“
Frau Heiter:, Sie sind neben Ihrer Bühnentätigkeit Richterin am Amtsgericht. Ist unser Rechtssystem gerecht?
Heiter: Grundsätzlich haben wir ein sehr gut funktionierendes Rechtssystem im Vergleich mit anderen. Man kann es sich idealer wünschen, aber diese Ideale sind nicht wirklich realisierbar.
Also alles bestens?
Heiter: Wir haben natürlich soziale Unterschiede. Es gibt Menschen, die sich die besseren Anwälte leisten können. Aber das ist, finde ich, in einem Korridor, der sozialverträglich ist und mit dem man leben kann. Ich bin unterm Strich ein großer Fan unserer Justiz.
Haben Sie noch nie Urteile gesprochen, die Sie eigentlich ungerecht fanden?
Heiter: Doch, immer mal wieder, ganz klar. Man könnte natürlich Rechtsprechungsharakiri betreiben und entscheiden, wie man es für richtig hält. Aber es gibt immer noch eine nächste Instanz. Einer der Gegner geht in Berufung, die Sache kostet noch mehr, der Richter beim Landgericht entscheidet dann so, wie es im Buch steht – und man hat auch nichts gewonnen. Deshalb muss man manchmal Sachen aussprechen, die man eigentlich für falsch hält.
Cosar: Gott sei Dank leben wir in einem Staat, in dem ich nicht bangen muss, ob ich den Richter kenne oder er korrupt ist. Man muss sich an Regeln halten. Das ist gut so.
Sie glauben, dass hier alles gerecht zugeht?
Cosar: Definitiv. Ich bin glücklich, dass ich in Deutschland lebe. StGB, BGB – ich liebe alles. Natürlich hängt Gerechtigkeit immer davon ab, auf welcher Seite man steht. Der eine hält es für übertrieben, dass sein Führerschein weg ist, weil er über Rot gefahren ist. Aber man muss eine Grenze setzen.