Der Vergütungsexperte und Topberater Joachim Kayser bemängelt die Intransparenz bei Angaben über die Altersversorgung von Managern – und plädiert für Obergrenzen bei deren Bezahlung.

Stuttgart – Daimler-Chef Dieter Zetsche hat für 2012 nicht nur eine Gesamtvergütung von 8,3 Millionen Euro erhalten; er hat auch eine Altersversorgung, die sich auf einen Barwert von 39,6 Millionen Euro addiert. Der Vergütungsexperte Joachim Kayser erläutert, was dahintersteckt.
Herr Kayser, der Barwert der Altersversorgung von Daimler-Chef Zetsche ist 2012 um ein Drittel gestiegen. Ist das zu begründen?
Derartig deutliche Ausschläge werden wir in diesem Jahr nicht nur bei Daimler, sondern auch bei allen anderen großen Unternehmen sehen. Hauptgrund ist die Senkung des bilanziellen Verzinsungssatzes, der den geringeren Renditen langjähriger Anleihen folgt. Der lag mal bei sechs Prozent und liegt heute zwischen vier und fünf Prozent. Wenn die Zinsen niedriger sind, dann müssen durch die Unternehmen entsprechend höhere Barwerte angesetzt werden. Diese Zinssätze haben übrigens mit Zusagen an die Vorstandsmitglieder nichts zu tun; das sind rein bilanzielle Zinssätze.

Herrscht da Transparenz?
Selbst professionell geschulte Leser können keinen unmittelbaren Vergleich ziehen zwischen den Zusagen, die den Topmanagern in unterschiedlichen Unternehmen gemacht worden sind. Das liegt teilweise am Gesetzgeber, der unterschiedliche Ausweisvorschriften für verschiedene Sachverhalte vorgelegt hat. Ob sie eine variable Vergütung zum Beispiel in Geld oder in Aktien auszahlen, hat dramatische Auswirkungen auf den Ausweis im Geschäftsbericht. Dann gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem, was einem Vorstand zugesagt wird bei Beginn eines Vertrages, und dem, was hinterher ausgezahlt wird. Bei variablen Vergütungen wird Ihnen ein Zielwert zugesprochen, der zum Beispiel 100 000 Euro beträgt, wenn bestimmte Ziele erreicht werden; die Zahlung hängt dann aber von der tatsächlichen Leistung ab und geht aus den meisten Geschäftsberichten gar nicht hervor.

Was bedeutet eine Verpflichtung mit einem Barwert von 40 Millionen Euro eigentlich?
Um das genau beantworten zu können, müsste ich die Person genau kennen und wissen, welche Daten da eingegangen sind. Die Angaben im Geschäftsbericht reichen nicht aus. Alter, vertragliche Ansprüche, abgedecktes Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitsrisiko, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Renteneintrittsalter und so weiter; all das fließt ein. Entscheidend ist aber eine andere Frage: Was bekommt der Manager; wenn er mit 62 oder 63 in Ruhestand geht? Solche Werte stehen leider heute meist nicht in den Geschäftsberichten. Aber gute Aufsichtsräte schauen sich das an und lassen sich die Verpflichtungen vorrechnen, die auf das Unternehmen zukommen.

Es fehlt also an Transparenz?
Ja. Die Corporate-Governance-Kommission will aber jetzt durch eine andere Ausweisvorschrift dafür sorgen, dass mit Hilfe von Mustertabellen eine bessere Transparenz, Vergleichbarkeit und Lesbarkeit hergestellt wird. Das ist der richtige Weg.

Gibt es andere Topmanager, die eine so hohe Altersvorsorge wie Dieter Zetsche haben?
Sehen Sie mir nach, dass ich keine Einzelfälle kommentiere, aber in dieser Frage werden in der Tat häufig Äpfel und Birnen miteinander verglichen. Grundsätzlich ist es so, dass, wer schon Jahrzehnte im Unternehmen und auch im Vorstand ist, einen deutlich höheren Anspruch bei der Betriebsrente hat. Das können Sie nicht mit jemandem vergleichen, der vielleicht gerade mal zwei Jahre im Amt ist. Richtigerweise müsste ausgewiesen werden, was pro Jahr für eine Person an Altersversorgung angefallen ist.

EU-Kommissar Michel Barnier fordert nach der Volksabstimmung in der Schweiz europaweit bestimmte feste Relationen für die Vergütungen von Topmanagern. Ist das gut?
Diese Forderung spiegelt nicht die unternehmensindividuelle Wirklichkeit. Bei einer festen Relation für das Vorstandsgehalt im Sinne des x-Fachen eines Durchschnittsangestellten hätten die Vorstandsmitglieder Glück, die in einem Unternehmen mit lauter Akademikern arbeiten; entsprechend schlecht dran wären Manager in Betrieben mit vielen Angelernten. Auch würden willkürlich gesetzte absolute Obergrenzen die bunte Vielfalt der hiesigen Firmenlandschaft nicht abbilden.

Sie sind also gegen Obergrenzen?
Nein, im Gegenteil. Individuelle, unternehmensspezifische Obergrenzen halten wir für richtig und wichtig. Kein angestellter Vorstand hat ein Recht auf unbegrenzte Vergütung. Der Vorschlag der Corporate-Governance-Kommission, die Vorstandsvergütung mit in Eurobeträgen definierten Höchstgrenzen – insgesamt und auf Ebene der einzelnen Vergütungselemente – auszuweisen, ist ganz klar der richtige Schritt.