Der Kommunkationsexperte Hasso Mansfeld wirft der Landesregierung und der Bahn Fehler in der Informationspolitik rund um das Projekt vor.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)
Stuttgart - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 stößt auf Ablehnung bei vielen Bürgern. Das liegt an den hohen Kosten und Risiken des Projekts, aber auch an der schlechten Informationspolitik rund um das größte Bauvorhaben Europas. Der Kommunikationsberater Hasso Mansfeld analysiert die Fehler der Bahn und der Regierenden.

Warum sind die Proteste gegen Stuttgart21 so eskaliert?


Große Investitionsvorhaben sind fast immer umstritten. Besonders gilt das für Verkehrsprojekte, die ja oft Nachteile für Einzelne bringen, zum Beispiel mehr Lärm und womöglich sinkende Immobilienpreise. Wenn man in bestehende Strukturen eingreift, muss man den Menschen daher offen und ehrlich sagen, warum man das will und welchen Nutzen es bringt. Sonst ist Widerstand programmiert. S21 ist ein Lehrstück dafür, wie man es nicht machen sollte.

Was wurde falsch gemacht?


Die Deutsche Bahn und die Projektverantwortlichen beim Bund, im Land und in der Stadt haben alles getan, um den größtmöglichen Proteststurm heraufzubeschwören. Erstens: Kosten und Risiken des Projekts sind intransparent und werden beschönigt. Zweitens: einige wichtige Politiker und Manager treten selbstgerecht auf und haben bis heute nicht verstanden, wie wichtig der Faktor Kommunikation ist. Und drittens: statt auf die Kritiker frühzeitig zuzugehen und Streitpunkte auszuräumen, zogen sich die Projektherren auf juristische Positionen zurück und pochten darauf, dass sie im Recht seien.

Die Kernfrage ist doch: Ist das Projekt S 21 in der Sache falsch? Oder hat man nur ein - im Grunde sinnvolles - gutes Projekt schlecht verkauft?


Es gibt gute Gründe für S 21 und gute Gründe dagegen. Umso schlimmer ist der Fehler, dass die Projektherren den Bürgern nicht von Beginn an die Wahrheit sagten. Besonders die absehbar hohen Kosten wurden verschwiegen. Das ist ein Grundübel bei fast allen Großprojekten. Zu Beginn werden teure Bauvorhaben schöngerechnet, um sie politisch durchzubekommen. Nach den Beschlüssen serviert man den Bürgern dann die wahren Kosten scheibchenweise. S21 lehrt uns, dass man so den Widerstand gegen ein Projekt beständig schürt.

Wären S21 und die ICE-Neubaustrecke nach Ulm je beschlossen worden, wenn Politiker und Parlamente die wahren Kosten gekannt hätten?


Die Chance hätte durchaus bestanden. Vorausgesetzt natürlich, die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens ist gegeben und darstellbar. Jetzt muss man das Projekt mit Wasserwerfern gegen Schüler und Rentner verteidigen, wie im Stuttgarter Schlossgarten geschehen. Ein größeres politisches und kommunikatives Desaster kann man sich kaum vorstellen.

Die Deutsche Bahn ist Bauherr von S21. Welche Mitverantwortung trägt der Staatskonzern?


Die DB hat das Projekt mit allen Mitteln durchgeboxt, weil der Konzern selbst mächtig davon profitiert. Doch die Informationspolitik des Unternehmens ist schlecht. Das liegt zum einen an den internen Strukturen. Es gibt keine eindeutigen Zuständigkeiten, stattdessen viel zu viele Sprecher, die viel zu wenig kommunizieren. Besonders das kommunikative Verhalten der Bahn-Spitze aber ist eine Katastrophe. Schon der ehemalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn tat Widerstände gegen neue ICE-Strecken als "Hysterie" ab. Sein Nachfolger Grube wurde gegenüber dem ZDF sogar vor laufenden Kameras ausfallend und nannte die Fragen eines "Frontal21"-Redakteurs "dreist" und "billig". Später sprach er den Bürgern sogar zeitweise ein Widerstandsrecht ab. Solche Äußerungen sind verheerend und lassen sich auch durch spätere Beteuerungen, man habe es nicht so gemeint, nicht mehr zurückholen.

Welche Rolle spielen die Medien bei S21?


Sicher nicht immer eine glückliche. In der bundesweiten Berichterstattung spielte das Projekt erst eine Rolle, als jede Woche Zehntausende protestierten und die Auseinandersetzung schließlich eskalierte. Die komplizierten Fakten und tieferen ökonomischen Zusammenhänge rund um S21 kommen dagegen oft zu kurz. Zudem ist der Umgang mit Zahlen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise verwahrlost. Manche Medien werfen mit Milliarden nur noch so um sich, ohne zu prüfen, wie plausibel zum Beispiel Behauptungen krasser Kostensteigerungen überhaupt sind.