Interview zum Black Jackets-Prozess „Angeklagte nur verwahrt“

Thomas Mende, Strafverteidiger im Black Jackets-Prozess, kritisiert, dass einige Täter lange in U-Haft gesessen sind – zeigt aber auch Verständnis.
Haben Sie schon einmal ein Verfahren einer Jugendkammer erlebt, das zweieinhalb Jahre lang gedauert hat, oder davon gehört?
Nein, aber in diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft 21 junge Männer gemeinsam angeklagt, darunter sehr viele Heranwachsende. Und wenn man dann im Prozess allen Angeklagten gerecht werden möchte, muss man auf jeden Einzelnen von ihnen intensiv eingehen. Und dann dauert ein solches Verfahren seine Zeit.
Hätte der Prozess verkürzt werden können?
Das ist bei 21 Angeklagten sehr schwierig. Von Seiten mehrerer Verteidiger hat man einige Male versucht, eine Verständigung mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft zu erzielen, die das Verfahren beschleunigt hätte. Aber leider haben hier nicht alle mitgezogen, was aber unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten das gute Recht eines jeden Einzelnen ist.
Hätten die Staatsanwaltschaft und die Richter nicht eher andeuten können, dass bei einigen Angeklagten eine Verurteilung „nur“ wegen Körperverletzung und nicht wegen versuchten Mordes möglich wäre?
Ich hatte deswegen schon in einem sehr frühen Verfahrensstadium Kontakt zum Staatsanwalt aufgenommen. Es war schließlich von Anfang an klar, dass der Vorwurf des versuchten Mordes nur sehr schwer nachweisbar sein würde. Aber es ist Aufgabe des Gerichts, diese Frage im jeweiligen Einzelfall zu klären und schließlich zu entscheiden – was bei 21 Angeklagten eben sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann.
Ihr Mandant sitzt seit drei Jahren in Untersuchungshaft. Wie sah sein Alltag aus?
Das ist das Missliche an dem Prozess: Er kam wegen dieser Sache im Juli 2009 im Alter von 18 Jahren in Untersuchungshaft und sitzt seitdem untätig hinter Gittern. Der Zweck eines Jugendstrafverfahrens ist aber vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten. In Stammheim ist mein Mandant aber, wie die anderen mitangeklagten Heranwachsenden auch, nur „verwahrt“ worden. In mehr als drei Jahren Haft ist erzieherisch überhaupt nichts geschehen. Das ist mit dem Jugendstrafrecht im Grunde schlicht nicht zu vereinbaren.
Unsere Empfehlung für Sie

Single-Kolumne No Big Bang Theory: Wo bleibt der große Knall?
In ihrer Single-Kolumne schreibt unsere Autorin über ein erstes Date, das Warten auf den „großen Knall“ und warum man manchmal vor lauter Erwartungen und Zweifel sowieso nichts hören kann.

Drei Patientenbetreuer vor Gericht Schmiergeld vom Stuttgarter Klinikum? Heute Prozessauftakt
Vor dem Landgericht Stuttgart müssen sich von heute an drei Unternehmer wegen Betrugs, Untreue und Bestechung verantworten. Es geht um überhöhte und zum Schein ausgestellte Rechnungen sowie um sittenwidrige Provisionen für die Behandlung von mehr als 400 libyschen Patienten.

Ein Jahr Coronapandemie in der Region Stuttgart Eine Impflücke verursacht Frust
Ein Jahr Coronapandemie: Bisher haben sich drei Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit dem Virus infiziert. Immerhin wird etwas mehr als bisher geimpft. Doch es gibt Lücken in der Impfverordnung.

Probleme bei Corona-Nachverfolgung in Stuttgart Bleiben Quarantäneverstöße ohne Konsequenzen?
Weil ein unadressierter Umschlag im falschen Briefkasten landet, erfahren Mietshausbewohner von der Coronainfektion eines Nachbarn. Das Ehepaar weist die Behörden auf einen möglichen Quarantäneverstoß hin – doch zunächst passiert nichts.

Landeskriminalamt in Stuttgart Mehr als 100 Millionen Euro Kosten – Behörde bekommt neuen Standort
Das Landeskriminalamt in Stuttgart soll einen neuen Standort bekommen. Die Kosten für die Pläne wurden noch nicht genau beziffert: Es sind aber mehr als 100 Millionen Euro.

Stuttgart trotz(t) Corona Ihre Bilder in der Kategorie „Zeitvertreib“
Wir zeigen Fotografien unserer Leserinnen und Leser vom Lockdown – hier aus dem Bereich Freizeitgestaltung in Zeiten von Corona: von Enten auf dem Schlossplatz bis Graffiti in Bad Cannstatt.