Der Präsident der Technischen Universität Karlsruhe, Horst Hippler, bemängelt, dass das Leistungsniveau vieler Studienanfänger gesunken ist.

Stuttgart - Horst Hippler, bis 31. März 2012 Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz und einer der Kandidaten für die Präsidentschaft der Hochschulrektorenkonferenz, rät Studierenden, nach Neigungen zu studieren und nicht nach der Konjunktur.

 

Herr Hippler, die Studenten sind inzwischen deutlich jünger als früher. Wie viele Elternabende haben Sie an der technischen Universität in Karlsruhe schon abgehalten?

Seit einem Jahr halten wir einige ab. Das Informationsbedürfnis ist sehr hoch. Die Zeiten unterscheiden sich von früheren dadurch, dass sich Eltern stärker engagieren und mehr Einfluss darauf nehmen, wie ihre Kinder sich nach der Schule fortbilden. Wahrscheinlich ist das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern auch intensiver geworden. Wenn ich mich an meine Jugend erinnere, dann hätte ich das für völlig überflüssig gehalten, wenn sich meine Eltern in mein Studium eingemischt hätten. Das hat sich stark verändert. Das ist aber auch in Ordnung.

Liegt das nur daran, dass die Studenten jünger sind?
Das glaube ich nicht. Das hat etwas mit den Bildungschancen zu tun und damit, dass sich Eltern viel mehr Gedanken um die Perspektiven der Kinder machen. Früher war das relativ einfach: Wenn man studiert hat, wusste man, dass man relativ sicher einen Arbeitsplatz und sein Auskommen hat. Die Situation ist heute schwieriger. Es werden deutlich mehr Akademiker ausgebildet. Es kommt mehr als früher darauf an, den richtigen Weg einzuschlagen.

Ist der Stellenwert von Bildung gewachsen?
In einigen Bereichen der Gesellschaft ganz sicher, allerdings sind die bildungsfernen Schichten nicht konvertiert. Wie man diese Schichten motivieren kann – das ist ein zentrales Problem.

Wie rüsten sich denn die Universitäten für den Ansturm durch die doppelten Abijahrgänge?
Die Universitäten rüsten sich nicht alleine. Sie haben mit dem Auftrag des Landes, den Ausbau für neue Studienplätze voranzutreiben, eine politische Verantwortung bekommen. Wohl wissend, dass die langfristige Finanzierung nicht gewährleistet ist. Wir haben uns verpflichtet, dass möglichst viele Studierende einen Studienplatz bekommen.

Müssen Sie angesichts der jüngeren Studenten über neue Modelle nachdenken, etwa Vorbereitungskurse?
Mit dem Alter der Studierenden hat das nichts zu tun. Es ist vielmehr so, dass das Leistungsniveau der Studierenden in den letzten Jahren besonders für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) gesunken ist. Die schulische Ausbildung reicht oft nicht mehr aus. Die Schulen in Baden-Württemberg und Bayern kann man da etwas herausnehmen, doch deutschlandweit ist das Ausgangsniveau sehr unterschiedlich. Deshalb haben Karlsruhe und Stuttgart gemeinsam das MINT-Kolleg eingeführt, um Unterstützung zu leisten.

Sie sagen, dass die Grundausbildung an den Schulen nicht mehr geleistet wird – vor allem in Mathe.
Das ist richtig, sie wird von vielen Schulen nicht mehr geleistet, weil man das Gesamtniveau senken musste, um mehr Abiturientenzahlen zu bekommen. Das ist natürlich gerade für Ingenieurfächer oder Naturwissenschaften nachteilig.

Gibt es heute mehr Frauen in den MINT-Fächern?
Nein, der Prozentsatz steigt nur langsam. Man sieht aber, dass die Erfolgsquote der weiblichen Studierenden in den MINT-Fächern – wenn sie sich dazu entschieden haben – höher ist als bei den Männern.

Die Wirtschaft klagt über Fachkräftemangel. Entspricht denn die Ausbildungskapazität an den Unis der Nachfrage in Deutschland?
Nein, definitiv nicht. Die Nachfrage ist im Moment sehr hoch. Ich halte es aber für fraglich, ob man Angebot und Nachfrage regeln kann. Ein Student ist ja erst in fünf oder sechs Jahren fertig. Man ist immer außer Phase. Wenn man Glück hat, erwischt man die Phase, wenn man Pech hat, erwischt man sie nicht. Die Anfängerzahlen sind in den MINT-Fächern in Karlsruhe kräftig gestiegen. Aber ob in fünf Jahren die Konjunktur noch so gut aussieht, das weiß man nicht. Man kann nur schauen, dass man nach seinen Neigungen studiert. Die jungen Leute sollten sich etwas suchen, was ihnen Spaß macht – dann finden sie hinterher auch einen Job. Da bin ich ziemlich sicher.