Exklusiv Was tun gegen deutsche Islamisten, die mit terroristischen Absichten in den Nahen Osten reisen? Der SPD-Experte Burkhard Lischka warnt vor einem Irrtum der Union.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Berlin – - Radikale Muslime aus Deutschland kämpfen auf Seiten der IS-Terroristen in Syrien und im Nordirak. An diesem Freitag beraten die Innenminister von Bund und Ländern, wie das verhindert werden kann. Diverse Vorschläge stehen im Raum: der Entzug von Pass und Staatsbürgerschaft, Warnhinweise im gemeinsamen Computerregister der Schengen-Staaten, härtere Strafen für den Aufenthalt in Terrorcamps.
Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Foto: dpa
Burkhard Lischka, neuer innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fordert darüber hinaus flächendeckende Präventivprogramme, um einer Radikalisierung junger Muslime vorzubeugen.
Herr Lischka, Hunderte von Islamisten pilgern aus Deutschland in den Nahen Osten, um sich dort an Terrorakten zu beteiligen. Warum dulden deutsche Behörden das?
Von Dulden kann keine Rede sein. Wir haben ja schon jetzt ein gesetzliches Instrumentarium, um das zu einzudämmen. Aber diese Reisetätigkeit muss Anlass für uns sein, Lücken zu finden und zu schließen.
Wo sehen Sie Lücken?
Nach bisherigem Recht kann man zwar Reisepässe entziehen und Ausreiseverbote verhängen, beim Personalausweis ist das aber schwieriger. Und der genügt ja oft für die Ausreise. Die Behörden können den räumlichen Geltungsbereich eines Ausweises beschränken und damit eine Ausreise aus Deutschland untersagen. Aber für Grenzbeamte in bestimmten Transitländern wie etwa der Türkei ist das nicht unbedingt erkennbar. Auch im Schengen-Informationssystem wird das nicht ersichtlich. Da müssen wird nachbessern. Es muss auch für Sicherheitskräfte anderer Ländern unschwer zu erkennen sein, wer da an der Grenze aufgehalten werden muss.
Kann man diesen Terror-Tourismus in Zeiten offener Grenzen überhaupt verhindern?
Vielleicht nicht in jedem Einzelfall. Aber wir dürfen es diesen Leuten auch nicht zu einfach machen. Es kann nicht sein, dass Terrorkämpfer mit einem deutschen Personalausweis unbemerkt umher reisen. Wir müssen dringend verhindern, dass Islamisten mit ganz normalen Touristenflügen in ihre Terrorfeldzüge ziehen.
Welche Möglichkeiten bietet das Strafrecht?
Die UN-Resolution zu den Dschihadisten verpflichtet uns, einige Vorschriften zu verschärfen. Der Besuch eines Terrorcamps steht bei uns grundsätzlich unter Strafe. Die Resolution verlangt, jegliche Reiseaktivitäten mit solchen Zielen zu unterbinden. Das müssen wir umsetzen. Ich würde allerdings davor warnen, die praktische Bedeutung eines solchen Verbots zu überschätzen. Wir müssen den Leuten ja nachweisen, dass sie auf dem Weg in ein Terrorcamp sind. Das ist sicher nicht der entscheidende Schlag gegen die Dschihadisten.
Das Problem ist ja nicht ganz neu. Wo sehen Sie Versäumnisse?
Es ist keineswegs so, dass die Sicherheitsbehörden diesem Treiben einfach nur zugeschaut haben. Solche Leute werden intensiv beobachtet durch unsere Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden
Wie können wir Rückkehrer davon abhalten, die Gewalt nach Deutschland zu tragen?
Ich halte es für einen Irrtum zu glauben, wir bekommen das Problem in den Griff, indem wir Islamisten mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft zur Verhinderung der Wiedereinreise aberkennen. So hat es ja die Union vorgeschlagen. In letzter Konsequenz würde das ja bedeuten, dass wir solche Leute an unseren Grenzen einfach wieder laufen lassen. Da bin ich anderer Meinung. Wir müssen die Dschihadisten, derer wir habhaft werden, hier anklagen und inhaftieren. Die Gefahr würde umso größer, wenn wir sie nur an der Einreise hindern und sie dann andernorts großes Unheil anrichten. Für mich ist wichtig, dass Personen, die sich durch Terroraktivitäten strafbar gemacht haben, auch angeklagt und verurteilt werden. Das ist der beste Schutz vor weiteren Terroranschlägen. Die Staatsbürgerschaft spielt da eine nachrangige Rolle.
Ist das Problem allein mit Repression und Bürokratie in den Griff zu bekommen?
Nein, natürlich nicht. Wichtig ist, dass wir auch die Präventionsprogramme für junge Menschen, die sich in der Salafistenszene bewegen, erheblich ausbauen. Im Moment gibt es solche Programme nicht bundesweit. Da müssen wir noch einiges tun. Dabei wissen wir aufgrund von Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass diejenigen, die als Terrorkrieger in den Nahen Osten reisen, fast ausnahmslos im Milieu der Salafisten radikalisiert wurden. Das spielt sich oft in sehr kurzer Zeit ab. Es muss uns gelingen, den Dschihadisten den Nachschub an jungen Menschen abzuschneiden. Auf Dauer werden wir nur Erfolg haben, wenn es uns gelingt, Leute, die dabei sind, sich zu radikalisieren, wieder auf einen vernünftigen Weg zu bringen. Wir müssen den Wettlauf gegen die Salafisten um die Herzen und die Köpfe junger Menschen gewinnen.