Geht es bei der Einführung einer Zivilklausel nur um Wissenschaft oder ist die Diskussion eine Stellvertreterdebatte?
Ich habe die große Sorge, dass hier eine Stellvertreterdebatte geführt wird. Dem Frieden dienen zu wollen, sich kritisch mit militärischen Einsätzen auseinander zu setzen, ist absolut notwendig. Diese Fragen muss man aber da diskutieren, wo sie hingehören, nämlich bei der Entscheidung darüber, ob wir die richtige verteidigungspolitische Strategie haben. Ich weiß, es geht dabei für die grüne Seele um viel. Aber auch wir erkennen ja an, dass es so etwas wie eine „responsibilty to protect“ gibt. Wir sind Teil der UNO, unsere Bundeswehr ist Teil des Sicherheitsnetzwerks. Man sollte jeglichen Reflex vermeiden, so zu tun als sei alles Militärische per se ein Bereich des no go. Klar ist, ich erwarte, dass man in der Wissenschaft die Freiheit walten lässt und ethische und politisch schwierige Fragen in den Parlamenten beim Thema Militäreinsätze diskutiert.

Drittmittel sind zunehmend ein Thema in der Forschung. Was ist, wenn Rüstungsunternehmen Forschung finanzieren?
Die betroffenen Wissenschaftler sollen sich entscheiden können, ob sie einen Auftrag annehmen wollen oder ob sie an einem Forschungsvorhaben teilhaben wollen oder nicht. Auch die Öffentlichkeit sollte darüber urteilen können, an welchen Fragen und mit welchen Auftraggebern die Wissenschaftler jeweils arbeiten. Transparenz ist hier die richtige Antwort. Wir prüfen, welche Regeln für mehr Transparenz sorgen können. Auch bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen muss offen gelegt werden, wer der Auftraggeber war. Ein Höchstmaß an Öffentlichkeit ist ein notwendiges Prinzip für eine freie Wissenschaft.

Sollte die Wissenschaftsministerin über die Auftraggeber mit entscheiden?
Nein. Ich bin keine Genehmigungsbehörde für Forschungsprojekte. Das gehört in die Verantwortung jedes einzelnen Wissenschaftlers und dazu auch in die öffentliche Debatte.

Ist das KIT wegen der Fusion mit dem einstigen Kernforschungszentrum Karlsruhe besonders betroffen?
Der Großforschungsbereich des KIT hat nach wie vor eine Zivilklausel. In dem Bereich, in dem Auftragsforschung gemacht wird, kann man dort in der Tat bestimmte Aufträge nicht annehmen. Die Zivilklausel soll nun aber verblüffender Weise neu für den Bereich der Universität eingeführt werden. Also dort, wo die freie und unabhängige Forschung und Lehre stattfinden soll. Da setzt die Verfassung zum Glück klare Grenzen.

Sehen Sie eine historische Verpflichtung zu besonderer Zurückhaltung bei militärischer Forschung?
Zweifellos hat Deutschland hier eine besondere Verantwortung. Das spiegelt sich zum Beispiel im Verbot eines Angriffskriegs im Grundgesetz wider. Wir dürfen aber das Denken nicht verbieten. Wir müssen etwa darüber nachdenken, wie zivile und militärische Konfliktlösungen ineinander greifen, wenn die Bundeswehr international in schwierigen Konfliktsituationen unterwegs ist. Wir sind geradezu verpflichtet, das Nachdenken darüber zu organisieren.

Gibt es Zivilklauseln in anderen Ländern?
Es gibt keine landesgesetzlichen Regelungen zum Verbot militärisch nutzbarer Forschung und zwar aus gutem Grund, weil die Verfassungsregeln eindeutig sind.

Was erwarten Sie beim Grünen-Parteitag?
Es wird eine leidenschaftliche Diskussion geben. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass erkannt wird, dass die Freiheit der Wissenschaft Ausdruck und Eckpfeiler einer freiheitlichen Gesellschaft ist.

Was tun Sie, wenn der Parteitag eine Zivilklausel verlangt?
Artikel 20, Absatz eins der Landesverfassung lautet, „die Hochschule ist frei in Forschung und Lehre“. Das ist ein klarer Satz und daran werden wir uns halten. Die Verfassung werden wird nicht ändern. Nicht im Land und nicht im Bund.