Seit Monaten lebt in Stuttgart eine Taube mit einem Pfeil im Hals. Allen Versuchen, sie zu fangen, widersetzt sie sich. Tierarzt Mathias Lichtner erklärt, wie das Tier mit dieser Verletzung überleben kann. „Vögel sind hart im Nehmen. Sie geben nicht so schnell auf.“

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Anfang April sind Passanten am Berliner Platz auf eine Taube aufmerksam geworden, die einen etwa zehn Zentimeter langen Pfeil im Hals stecken hat. Dieser wurde vermutlich aus einem Blasrohr abgeschossen. Der Tierarzt Mathias Lichtner aus Leonberg ist Spezialist für Erkrankungen von Vögeln.

 

Müsste das Tier mit einem solchen Geschoss im Körper nicht längst tot sein?
Durch den Hals laufen die Wirbelsäule und große Blutgefäße, dort sitzt auch der Kropf, in dem eine Taube das Futter vorverdaut. Wenn der Pfeil keine dieser Strukturen verletzt hat und allein durch Bindegewebe ging, kann das Tier weiterleben.

Aber es hat doch sicher große Schmerzen?
Am Anfang war das sicher so. Aber wenn der Pfeil seit April da ist, dann könnte das Gewebe den Fremdkörper schon abgekapselt haben, so dass das Tier keine stechenden Schmerzen mehr hat. Vögel sind hart im Nehmen. Sie geben nicht so schnell auf.

Besteht nicht dennoch die Gefahr, dass das Tier qualvoll verendet?
Das ist schwer zu sagen. Aber die Taube muss noch optimal fressen können, sonst wäre sie schon lange gestorben. Auch bei einer nur mittelmäßigen Nahrungsaufnahme hätte sie es sonst nicht so lange geschafft. Insofern ist die Frage eher, wie sehr der Pfeil das Tier bei seinen Bewegungen, vor allem beim Fliegen, behindert.

Was würden Sie tun, wenn Sie diese Taube in Ihre Praxis bekämen?
Ich würde auf jeden Fall versuchen, den Pfeil in Narkose zu entfernen. Allerdings kann es sein, dass der Pfeil doch ein Gefäß oder den Kropf verletzt hat, aber so verschließt, dass die Funktion nicht beeinträchtigt ist. Wenn man dann den Pfeil herausnimmt, könnte das Gefäß zu bluten beginnen oder der Kropf funktioniert nicht mehr. Im schlimmsten Fall könnte die Taube dann gerade durch die Hilfe sterben. Aber man müsste es dennoch versuchen.

Hatten Sie einen ähnlichen Fall schon mal?
Nein. Aber es kommt relativ häufig vor, dass wir bei Vögeln oder auch Katzen die kleinen Geschosse von Luftgewehren entfernen müssen. Es gibt leider genügend Leute, die auf die Idee kommen, zum Spaß auf Tiere zu schießen.

Das Gespräch führte Thomas Faltin.